Posse um Staatsangehörigkeit: Ein deutscher Pass für Raz
Mehr als ein Jahr lang saß David S. mit seinem Sohn in Wien fest, weil die Behörden sich querstellten. Nun lenkt das Auswärtige Amt endlich ein.
WIEN taz | Raz S. soll wieder einen deutschen Pass bekommen. Der zwölfjährige Schüler saß mit seinem Vater mehr als ein Jahr in Wien fest, weil ihm die deutsche Botschaft den Pass entzogen hatte. Nach kritischen Medienberichten (angestoßen von der taz) über die offensichtliche Behördenwillkür kommt nun Bewegung in den Fall. Gegen Nachreichung von zwei Dokumenten soll der in Gambia geborene Junge deutsche Papiere bekommen.
Den amtlichen Brief habe er ganz plötzlich und unerwartet bekommen, sagte der Vater David S. kurz vor dem Termin auf dem Konsulat in Wien. Er finde es komisch, dass jetzt klappt, was so lange unmöglich schien. Die Medienberichterstattung habe „wahnsinnig geholfen“.
Der Fall ist alles andere als alltäglich. David S. hatte vor mehr als zehn Jahren das Kleinkind einer gambischen Mutter legitimiert: durch Eintrag der Vaterschaft in die Geburtsurkunde. Die überforderte Mutter übertrug dem neuen Vater anschließend das Sorgerecht. Das ist legal, wird aber von Behörden nicht gern gesehen, weil die Umgehung einer Adoption vermutet wird. Der 51-jährige Sozialarbeiter lebte mit der Mutter nie zusammen, er ist homosexuell und hat einen Partner.
Dennoch konnte er vor etwa sechs Jahren an der Botschaft in London einen Pass ausstellen lassen. Das Auswärtige Amt sei darüber nicht glücklich gewesen, vermutet der Vater. Diese Annahme wurde dadurch bestätigt, dass die Botschaft in Wien, wo der Pass fünf Jahre später verlängert werden sollte, das Dokument einzog. Es bestehe der Verdacht, dass mit der Geburtsurkunde nicht alles stimme, wurde David S. beschieden.
Die Korrespondenz zwischen dem Auswärtigen Amt und der deutschen Botschaft in Dakar war unmissverständlich. Es war die Rede von einer Suppe, die man auslöffeln müsse, und „wenn wir nicht aufpassen, dann hat sich das Kind die dt. STA [deutsche Staatsangehörigkeit] sowieso ’ersessen‘.“ Auch die Einschaltung eines Rechtsanwalts brachte keine Lösung.
Nach den Presseberichten reagierte plötzlich die Ausländerstelle der Stadt Wien und stellte dem Kind eine Aufenthaltsgenehmigung für fünf Jahre aus. Kaum zwei Wochen später lenkt jetzt auch das Auswärtige Amt ein. Das Konsulat wollte das Original einer im vergangenen Mai vom Standesamt Passau ausgestellten Geburtsurkunde für Raz sehen. Und eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bestätigte gegenüber der taz, „dass die deutsche Botschaft in Wien einen deutschen Reisepass erteilt hat“.
Raz verbringt die Schulferien derzeit bei der Oma in Deutschland. Wie es aussieht, darf er nun doch Deutscher bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers