: Positiv gegen die Pharmakonzerne
■ Kontra Seehofer: Ärztekammer legt Medikamentenliste vor
Zu sehr in den Fängen der Pharmakonzerne und deren Lobbyisten vermutet der Berliner Ärztekammerpräsident, Dr. Ellis Huber, den Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer. Anders könne man nicht erklären, weswegen der Bonner CDU-Minister die Idee der sogenannten Postivliste wieder aus dem Gesundheitsreformgesetz streichen will. Schließlich handele es sich bei den Positivlisten um einen Gesetzesvorschlag zur Kostensenkung im Gesundheitsbereich aus dem eigenen Hause, erinnerte Huber.
Nur wenige Tage nach dem Bonner Rückzug hat jetzt die Berliner Ärztekammer im Alleingang eine eigene Positivliste vorgestellt. Darin sind 600 von insgesamt 7.000 in Deutschland zugelassenen Präparaten aufgeführt, die preisgünstiger als andere Medikamente sind, ohne geringere Wirksamkeit zu haben. Finanziert wurde die Liste vom Bundesverband der Innungskrankenkassen.
Seehofer hatte vor zwei Wochen verbindliche Positivlisten als „unnötigen Eingriff“ in die Therapiefreiheit des Arztes bezeichnet, weil Medikamente, die nicht in der Liste enthalten seien, von den Kassen nicht mehr übernommen würden. „Die Wahrheit ist das Gegenteil“, betont Ellis Huber: „Bei 7.000 angebotenen Produkten ist jeder Arzt überfordert und damit hilflos den Vertretern der Pharmakonzerne ausgeliefert.“
Die Behauptung, die Medikamente der Positivliste seien oft billige „Raubkopien“ von Arzneimitteln, die mit großem finanziellem Aufwand entwickelt wurden, läßt der Ärztekammerpräsident nicht gelten: „Forschungsfeindlich ist unsere Liste nicht.“ Denn die Entwicklungskosten für ein Medikament würden über sogenannte Patentlaufzeiten geschützt. In dieser Zeit ist ein Vertrieb eines Wirkstoffes durch einen anderen Anbieter gesetzlich verboten. Als Beispiel nennt Uwe Conrad, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Innungskrankenkassen, den fast hundert Jahre alten „Bayer“-Klassiker Aspirin. Mit diesem Schmerzmittel würden im laufenden Jahr noch immer 750 Millionen Mark Umsatz gemacht, obwohl es eine nur halb so teure Alternative mit gleichem Wirkstoff gebe.
Die in der Liste aufgeführten Medikamente nannte Huber „bewährt, sicher, wirksam und vernünftig“. Nach Auffassung Hubers hat die Liste Vorbildfunktion und wird bald in anderen Bundesländern Nachahmung finden. „Im Prinzip muß auch Herr Seehofer die Liste begrüßen“, meinte Huber. Zwanzig Prozent der Ausgaben für Medikamente ließen sich durch die Positivliste sparen. Allein in Berlin wären das 220 Millionen Mark. Dieses freiwerdende Geld will Huber dann für „die therapeutische Arbeit der Ärzte, die viel Zeit kostet“, verwendet wissen. Adrian Prechtel
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