piwik no script img

Positionsverlust der DDR

■ Im innerdeutschen Handel gerät die DDR ins Hintertreffen / Handelsstruktur eines Drittweltlandes / Hohe DDR-Überschüsse im Reiseverkehr / Swing nicht ausgenutzt

Frankfurt (dpa/taz) - Die DDR-Wirtschaft konnte aus dem starken Wachstumsprozeß und dem damit verbundenen Boom der Importnachfrage der Bundesrepublik in den letzten Jahren keinen Nutzen ziehen. Stattdessen verlor sie Marktanteile bei traditionellen Konsumgütern und geriet gegenüber der Konkurrenz aus Fernost preislich und qualitativ ins Hintertreffen. Dies schreibt die Deutsche Bundesbank in einer Analyse des Zahlungsverkehrs zwischen der DDR und der Bundesrepublik von 1975 bis 1988.

Der deutsch-deutsche Warenhandel hat sich dieser Untersuchung zufolge wenig dynamisch entwickelt. Die Lieferungen der Bundesrepublik verdoppelten sich in etwa von 3,7 Milliarden (1975) auf 6,5 Milliarden DM (1988), ebenso wie die Bezüge aus der DDR (von 3,2 Milliarden auf 6,4 Milliarden DM). Die Gründe für die verhaltene Entwicklung sind nach Beobachtungen der Bundesbank in erster Linie auf Seiten der DDR zu suchen.

Wesentliche Ursachen für diese unterproportionale Ausdehnung des Warenhandels seien „hartnäckige Strukturprobleme als Folge einer zu geringen Investitionstätigkeit, unterlassene Modernisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen, Rückstände auf dem Gebiet der Hochtechnologie und teilweise auch Schwächen des Warenangebots“. Die Warenstruktur des innerdeutschen Handels entspreche kaum dem Handelsaustausch, wie er zwischen hochentwickelten Industrieländern üblich ist.

Anders sieht die Situation im Bereich der Dienstleistungen aus. Dort überwogen die Defizite zulasten der Bundesrepublik. Ausschlaggebend dafür war der Reiseverkehr, in dem die Bundesbürger von 1975 bis 1988 in der DDR 16 Milliarden DM ließen - bei einem offiziellen Umtauschkurs von 1:1. Mit der wechselseitigen Durchlässigkeit der Grenzen dürfte dieser Posten der Zahlungsbilanz in nächster Zukunft quantitativ steil anwachsen, wenn auch nicht unbedingt zugunsten der DDR. Der rege Reiseverkehr von Ost nach West könnte noch ein tiefes Loch in die Devisenkasse der DDR reißen. Die Zahlungen der BRD für den Kostenausgleich der DDR-Post (1,8 Mrd. DM) sowie die Leistungen im Zusammenhang mit West-Berlin wurden wiederum durch DDR-Zahlungen für Transportleistungen (6 Mrd. DM) sowie Zinsen für Kredite überkompensiert.

Allerdings erbrachte die Bundesrepublik eine Reihe von Übertragungen, die im 13-Jahres-Zeitraum auf netto 15 Milliarden DM aufliefen. Dazu zählt die Bundesbank erstens die Transitpauschale (6,6 Mrd. DM), zweitens Gebühren für die Benutzung der übrigen Straßen der DDR, für Einreisegenehmigungen, Beihilfen für Verkehrswege und Gewässerschutz (3,4 Mrd. DM) und drittens Zahlungen an DDR -Besucher (2,0 Mrd. DM). Über den Genex-Geschenkdienst, der knappe Waren an Freunde oder Verwandte in der DDR gegen die Zahlung von D-Mark liefert, flossen schließlich weitere 2,6 Milliarden DM.

Der gesamte Leistungs- und Kapitalverkehr schloß in diesem Zeitraum mit einem Defizit der Bundesrepublik von 24,5 Milliarden DM ab. Die DDR konnte mit diesen Mitteln in westlichen Ländern einkaufen, Schulden bedienen oder Reserven aufbauen. Erst in jüngster Zeit, nämlich seit 1989, hat die DDR damit begonnen, ihre Kredite in der Bundesrepublik abzubauen und auf diese Weise ihre frei verfügbaren Devisenmittel abgebaut.

So hat sie, vermutlich nicht zuletzt aus Gründen einer zu starken finanziellen Abhängigkeit von der Bundesrepublik, den ihr von der Bundesregierung zinslos eingeräumten Überziehungskredit (Swing) kaum in Anspruch genommen. Ende 1988 waren es gerade 124 Millionen DM, obwohl der Gesamtrahmen auf 850 Millionen DM ausgedehnt worden war. Dennoch liegt die gesamte Verschuldung der DDR in konvertierbaren Währungen nach Angaben der Bundesbank bei netto etwa 13 Milliarden Dollar. Allein die Zinsbelastung wird auf gut eine Milliarde Dollar oder rund zwei Milliarden DM jährlich geschätzt.

zau

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen