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Portugal: Cavaco Silva kämpft um die Mehrheit

■ Der rechtsliberale amtierende Ministerpräsident strebt die absolute Mehrheit an / Dennoch werden Koalitionen notwendig sein / Eanes–Erneuerer–Partei im Abstieg / Morgen wählen die Portugiesen ein neues Parlament und zum ersten Mal ihre Europaabgeordneten

Aus Lissabon Sergio Rodrigues

Zwei Wochen lang waren die Autokonvois mit dröhnenden Lautsprechern und fahnenschwenkenden Teenies auf Achse gewesen, Mauern und Hausfassaden in Portugals Städten sind über und über mit Plakaten beklebt. Am morgigen Sonntag hat nun der Wähler das Wort. Zum sechsten Mal seit 1976 bestimmen die Portugiesen - vorzeitig - die 250 Mitglieder der Lissaboner Volksvertretung sowie erstmals auch 24 Europa– Parlamentarier. 13 Parteien stehen zur Wahl, über deren Ausgang noch kaum jemand Prophezeiungen wagt. Der amtierende Ministerpräsident Cavaco Silva, Chef der rechtsliberalen Sozialdemokratischen Partei PSD, der seit November 1985 ein Minderheitskabinett führt, war im vergangenen April durch eine linke Parlamentsmehrheit per Mißtrauensvotum gestürzt worden. Sein Ziel ist es nun, durch eine Steigerung des PSD– Stimmenanteils von bisher 29,9 auf 43 Prozent die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament zu erlangen. Damit könnte er vier Jahre lang allein regieren, was noch keiner von Portugals zehn Regierungen seit 1976 gelungen ist. Auch wenn eine Stärkung seiner Partei zu erwarten ist, steht eine absolute Mehrheit noch sehr in Frage. Die Linke präsentiert sich zersplittert. Die Sozialisten (PS) werden vermutlich mehr als die 20,8 Prozent der letzten Wahlen erhalten. Die „Erneuererpartei“ PRD des früheren Staatspräsidenten Ramalho Eanes, die bei den letzten Wahlen überraschend auf 17,9 Prozent gekommen war, wird wohl Stimmen verlieren. Ferner steht erstmals die „Koalition für demokratische Einheit“ (CDS), eine Listenverbindung von Kommunisten und Grünen, zur Wahl. Sie ist nach dem Austritt der Demokratischen bewegung MDP aus der Volksallianz APU entstanden, die 1985 15,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Die APU, ein Bündnis von Kommunisten (PCP), Demokratischer Bewegung (MDP) und Grünen, war in diesem Jahr zerbrochen, weil sich die MDP der Vorherrschaft der Kommunisten entziehen wollte. Die MDP kandidiert nun allein. Auf der Rechten präsentiert sich das Demokratisch–Soziale Zentrum CDS, das bei den letzten Wahlen auf zehn Prozent gekommen war. Um Inhalte ging es in diesem Wahlkampf weniger denn je. Täglich mußten Fernsehzuschauer zwar mehr als eine Stunde Parteiwerbung ertragen. Anders als vor vergangenen Wahlen, fanden aber Fernsehdebatten mit Parteiführern nicht statt. Cavaco Silva, dessen Amtszeit mit Dollar– und Ölpreissturz zusammenfiel, war für Fernsehduelle nicht zu haben und tanzte nur auf eigenem Parkett. Bei rund 100 Auftritten präsentierte er den Fall der Inflationsrate (von 30 Prozent 1984 auf 12 Prozent im Vorjahr) und die ersten Reallohnsteigerungen seit 1980 als Erfolg seiner Regierung. Fragen nach der um sich greifenden Kinderarbeit, der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit oder dem Anstieg von Portugals Handelsbilanzdefizit um 49 Prozent in den ersten fünf Monaten des Jahres mußte er vor eigener Anhängerschaft nicht befürchten. Unterdessen ließ sich PS–Generalsekretär Vitor Constancio von Fans mit Aufklebern „yes PS“ als „zukünftiger Ministerpräsident“ feiern. Der selbsternannte „Führer der demokratischen Linken“ strebt eine „Bipolarisierung“ (PS/ PSD) im Parteiensystem an. Obwohl völlig unklar ist, ob die PS überhaupt über 25 oder 30 Prozent hinauskommt, sieht sich Constancio schon als künftiger Regierungschef, falls Cavaco die absolute Mehrheit verfehlen sollte. Wie Cavaco spricht auch Constancio nicht von Koalitionen, er braucht aber zumindest die parlamentarische Unterstützung seiner linken Hauptrivalen, die er im Wahlkampf bekämpft hat. Stimmenzuwachs erhofft er vor allem von Wählern der Erneuererpartei PRD. Portugals rot–grüne CDU wirbt um „die Stimme, die entscheidet“. Der von KP–Generalsekretär Cunhal und der zur Zeit noch einzigen grünen Parlamentarierin Maria Santos geführten Allianz bleibt es vorbehalten, an die Notwendigkeit einer Verständigung der Linken zu erinnern. Die ist aber nicht in Sicht. Was die von Cavaco angestrebte Reprivatisierung von Staatsbetrieben, die anhaltende Offensive gegen die Agrarreform von 1975 oder die mögliche Verlegung von US– Luftwaffenbasen von Spanien nach Portugal anbelangt, wird Constancio wohl mehr Gemeinsamkeiten mit Cavaco als etwa mit den Kommunisten entdecken.

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