piwik no script img

PortraitDoktor Faust hört auf

Wladimir Klitschko hört auf. Der 41-Jährige tritt nicht mehr in kurzer Hose und mit nacktem Oberkörper vor ein Boxpublikum. Das ist keine schlechte Entscheidung, denn der jüngere der Klitschko-Brüder hat den Zenit seines Leistungsvermögens überschritten. In seinen letzten Kämpfen setzte es Niederlagen gegen den Briten Tyson Fury und dessen Landsmann Anthony Joshua. Es deutete sich an, dass der so berechnend und dosiert kämpfende Ukrainer mit seiner wuchtigen Rechten nicht mehr alle Probleme lösen kann. Mit dem Rücktritt entgeht er auch dem Schicksal von George Foreman, der mit 48 noch die Handschuhe schnürte und seine Gesundheit aufs Spiel setzte.

Wladimir Klitschko, der Faustkämpfer mit dem Doktor in Sportwissenschaften („Pädagogische Kontrolle im System der Vorbereitung junger Sportler“), hat genug Treffer abbekommen und Millionen kassiert in seiner über 20-jährigen Profikarriere. In Atlanta wurde er seinerzeit Olympiasieger im Schwergewicht. Den Erfolg versuchte er alsbald zu versilbern. Aber es sollte dauern, bis Klitschko den Durchbruch schaffte. Vor allem von Fachkräften aus den USA wurde er für ein Weichei und psychisch labil gehalten. Niederlagen gegen Corrie Sanders (2003) und Lamon Brewster (2004) verfestigten den Ruf, der Typ habe ein Glaskinn. Klitschkos Kollege Dariusz Michalczewski ätzte über den „Trainingsweltmeister“ Wladimir: „Wenn er in den Ring tritt, hat er schon 50 Prozent seiner Möglichkeiten verloren.“

Das ließ der zwei Meter große Faustkämpfer nicht auf sich sitzen und holte sich gegen mehr oder weniger mediokre Gegner diverse WM-Titel im Schwergewicht. Er war derart sammelwütig, dass man ihn zum „Superchampion“ ernannte. Seinen Kritikern, die ihm trotz aller Erfolge stets seinen strategischen Boxstil (vulgo: Langeweile) vorwarfen, schleuderte er entgegen, sie müssten nun „ihre eigenen Worte essen“.

Die Boxszene schaut in diesen Tagen freilich nicht auf die Schwergewichte: Alle warten auf die Zirkusnummer zwischen Boxstar Mayweather und Käfigkämpfer McGregor, ein Spektakel, auf das Klitschko mit einer gewissen Verachtung schauen dürfte. Markus Völker

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen