Portrait: Der verstoßene Basketballer
Seine Familie hat ihn bereits vor knapp einem Jahr verstoßen. Enes Kanter, Basketballprofi bei den Oklahoma City Thunder, der derzeit beste türkische Center, wurde vor knapp einem Jahr von seinem Vater gebeten, doch bitte einen anderen Nachnamen anzunehmen.
Aus der türkischen Nationalmannschaft wurde er schon im Jahr 2015 vor der Europameisterschaft ausgebootet. Offiziell wurde das damals noch recht abenteuerlich mit sportlichen Gründen erklärt. Es war jedoch allen klar, dass er als bekennender Anhänger der Gülen-Bewegung, die in Opposition zur Regierung steht, keine sportliche Zukunft mehr in der Türkei hat.
An seinem 25. Geburtstag, am Samstag, erfuhr Kanter, dass er nun auch staatenlos ist. Die Türkei hat seinen Reisepass annulliert. Gemerkt hat er das erst am Flughafen von Bukarest. Die rumänischen Beamten verweigerten dem 2,11 Meter großen Sportler die Einreise und hielten ihn mehrere Stunden fest, bevor er dann wieder die Rückreise in die USA antreten musste.
Erbost hielt Kanter den Vorfall am Flughafen über seine Handykamera fest und verbreitete das Filmchen über Twitter. Unter anderem attackierte er den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. „Er ist ein Diktator, und er ist der Hitler unseres Jahrtausends.“ Laut der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wollte Kanter in Rumänien Veranstaltungen besuchen, die in Verbindung zur Bewegung des islamisch-geistlichen Predigers Fethullah Gülem stehen.
Über seinen Twitter-Account macht Enes Kanter regelmäßig gegen Erdoğan mobil und postet auch gern mal ein Bild mit Gülen, der ebenfalls in den USA im Exil lebt, als Morgengruß. Kanter ist eine Art politischer Netzwerkaktivist und ein Einzelkämpfer.
Und er versteht sich als Patriot. Die Missachtung in seiner Heimat kränkt ihn umso mehr. In den türkischen Medien gilt er als Verräter. „Es ist traurig und gleichzeitig zum Lachen, dass meine Erfolge in Oklahoma wegen der Paranoia eines Diktators kaum zur Kenntnis genommen werden. Schämt euch, TV-Sender, Basketballexperten und Zeitungen“, schrieb er einst – via Twitter natürlich.
Johannes Kopp
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