Portrait: Macrons Frontfrau
Seit Wochen galt sie als „Geheimtipp“ für den Posten der künftigen Premierministerin von Emmanuel Macron. Die 52-jährige Liberale Sylvie Goulard schien alle Kriterien zu erfüllen, die der Gründer von „En marche!“ selbst für das Profil des Regierungschefs definiert hatte. Nun haben mit der Nominierung des Konservativen Edouard Philippe taktische Überlegungen überwogen. Ganz leer ausgegangen ist Goulard, die Macron von Beginn an unterstützte, aber auch nicht. Sie ist jetzt Ministerin der Streitkräfte, ein Eckpfeiler der neuen Regierung. Das ist mehr als ein Trostpreis. Sicher wäre sie lieber Europa- und Außenministerin geworden, doch auch dieses „Portefeuille“ war aus politischen Rücksichten schon vergeben – an den sozialistischen Exverteidigungsminister Jean-Yves Le Drian.
Goulard ist in Frankreich, für die wenigen, die sie bereits kannten, Europa in Person. Kaum jemand hat so viel Erfahrung mit der EU wie sie, die von 2001 bis 2004 schon Beraterin von Kommissionspräsident Romano Prodi war und seit 2009 im EU-Parlament sitzt. In Frankreich war sie Vorsitzende der Europabewegung. Die mangelnde Unterstützung aus Paris für die überzeugte Föderalistin erklärt, warum sie 2016 mit ihrer Kandidatur für den Vorsitz des EU-Parlaments als Nachfolgerin von Martin Schulz scheiterte.
Goulard wuchs in Marseille auf, wo sie im Eiltempo die Mittelschule bereits mit 15 abschloss, um anschließend erst an der Rechtsfakultät von Aix-en-Provence, dann an der Kaderschmiede „Science Po“ in Paris und an der Verwaltungsuni ENA zu studieren. Die Europapolitik begann für sie in einer Gruppe, die sich mit der deutschen Wiedervereinigung befasste. Später gehörte sie zusammen mit Daniel Cohn-Bendit 2010 zu den Gründern der „Spinelli-Gruppe“, die sich für ein föderales Europa einsetzt.
Sie zählte für die Financial Times bereits zu den „100 einflussreichsten Frauen in Europa“. Als Ministerin wird Goulard auf dieser Liste wohl noch ein paar Plätze raufklettern. Zum Leidwesen der nicht wenigen Machos in Frankreich, die sich doch tatsächlich noch über die Ernennung einer Frau auf diesen Posten wundern oder aufregen können. RUDOLF BALMER
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