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PortraitRevolution im Radio

Es gibt keinen Song, der die Libertinage der Sechzigerjahre auf so laszive Weise feiert wie „Je t’aime … moi non plus“. Das Stück ist untrennbar mit dem Namen Jane Birkin verbunden.

An die britische Schauspielerin, die heute 70 wird und Mutter von drei Kindern ist, erinnert man sich weniger wegen ihrer Filme mit Agnès Varda, Jacques Rivette oder Michelangelo Antonioni, sondern wegen eben jenes Stücks, das Popgeschichte geschrieben hat. „Ich habe es nur gesungen, weil ich nicht wollte, dass es jemand anders macht“, hat sie einmal gesagt. Und bei anderer Gelegenheit: „Einer Frau ein Lied zu schrei­ben, gehört zu den größten Komplimenten.“

Serge Gainsbourg hatte das Lied 1967 für Brigitte Bardot geschrieben und mit ihr zusammen aufgenommen, aber Bardots Mann Gunter Sachs intervenierte. So kam es, dass Gainsbourg „Je t’aime“ ein weiteres Mal aufnahm, diesmal mit Jane Birkin, wobei sie anscheinend nicht die Einzige war, die er angesprochen hatte.

In Österreich, in der Schweiz und im Vereinigten Königreich wurde das Duett mit Birkins aufreizendem Stöhnen 1969 ein Nummer-1-Hit. Doch in Spanien, Schweden, Brasilien, Italien und Portugal wurde es wegen seines sittengefährdenden Inhalts nicht im Radio gespielt.

Gainsbourg hatte behauptet, das Stück handle, ganz romantisch, von der Unmöglichkeit physischer Liebe, doch die konservativen Kritiker hörten darin das Gegenteil: Propaganda für Sex ohne Liebe. Der Vatikan sah sich dazu aufgerufen, das Stück zu verdammen. Dazu schien zu passen, dass Birkin ihre Filmkarriere mit einem Nacktauftritt in „Blow-up“ begonnen hatte.

Dabei ist die Tochter aus einer britischen Upper-Class-Familie immer konservativ gewesen. Sie wollte Mutter und Hausfrau sein. Als ihr erster Mann sie betrog, gerade war sie Mutter geworden, verließ sie ihn. Und noch heute lässt Jane Birkin nichts auf Serge Gainsbourg kommen, den sie noch bekochte, als sie ihn längst verlassen hatte.

Aber Leben ist Leben, und Kunst ist Kunst. Und so wird Birkin, die Frau, die nicht gerne „ich“ sagt, als diejenige in den Geschichtsbüchern stehen, die der sexuellen Revolution ihre Stimme lieh. Ulrich Gutmair

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