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PortraitEin Proletarier führt Ukip

Mit 39 Jahren wird er der jüngste Parteivorsitzende Großbritanniens – aber in seiner Ausstrahlung orientiert er sich eher an einem gesetzten TV-Hauptkommissar, der sich darauf freut, endlich mal einen Verdächtigen so richtig in die Mangel zu nehmen. Paul Nuttall, der neue Chef der United Kingdom Independence Party (Ukip), tritt forsch und direkt auf, mit dem Schuss Selbstgewissheit, ohne den man wohl nicht sechs Jahre lang neben Nigel Farage als Nummer zwei der britischen Rechtspopulisten bestehen kann.

Am Montag wurde Nuttall in einer Urwahl der Ukip-Parteibasis mit 62,6 Prozent der Stimmen zum neuen Parteichef gewählt, nach Farages zweitem Rücktritt allein in diesem Jahr. Ukip wirke derzeit wie ein auf den Boden geschmissenes Puzzlespiel, gab Nuttall in seiner Siegesrede zu – jetzt werde er die Puzzleteile wieder zusammenfügen. „Das Land braucht eine starke Ukip mehr denn je.“ Der Brexit, mit dem Ukip erfolgreich die Konservativen vor sich hertrieb, sei Geschichte – jetzt ist Labour an der Reihe.

Nuttall wurde 1976 in Bootle in einer der hässlicheren Ecken des darniederliegenden Großraums Liverpool im Nordwesten Englands geboren. Er wuchs in einer katholischen Arbeiterfamilie auf, meilenweit entfernt vom Londoner Politestablishment. Diesen Vorteil will er nun in Wählerstimmen ummünzen in Englands nördlicher Landeshälfte, wo bisher Labour den Ton angibt und kaum jemand die Tories wählt – eine Strategie, die dem Erfolgskurs der schottischen Nationalisten ähnelt.

In der Riege der britischen Parteiführer gibt Nuttall den Proletarier, der klare Worte spricht. „Ich will die Labour-Partei ablösen und Ukip zur patriotischen Stimme der Arbeitenden machen!“, rief er unter tosendem Applaus. Er wolle „gerechte Einwanderungskontrollen“, die Löhne englischer Arbeiter schützen; harte Verbrechensbekämpfung; Bildungschancen nach Fähigkeit und nicht nach Wohlstand; Unterstützung für das Militär. Damit will der bisher im EU-Parlament sitzende neue Ukip-Chef eine Labour-Partei ersetzen, die bisher Nordenglands Politik monopolisiert, aber „die Sprache der Arbeiter nicht mehr spricht“.

Dominic Johnson

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