Portrait: Das rote Tuch der CDU
Die grüne Landtagskandidatin Isabelle Pejic soll Mitte August in Rostock Wahlplakate der CDU abgerissen haben. Wie viele, darüber gehen die Meinungen auseinander. Pejic selbst sagt, sie habe nur ein Plakat zur Seite gestellt, das zu tief aufgehangen war und deshalb Radfahrer behindert habe. Die Polizei ermittelt gegen sie wegen mehreren Plakaten, die abgerissen und in ein Gebüsch geworfen worden seien, was Pejic zurückweist.
Und was denkt sich der geneigte Beobachter? Endlich ist mal was los in diesem langweiligen Wahlkampf ohne Auseinandersetzungen! Was woanders womöglich nur zur Randnotiz gereicht hätte, könnte in Mecklenburg-Vorpommern in Ermangelung anderer Aufreger zu dem Skandal werden, der von diesem Landtagswahlkampf in Erinnerung bleibt.
Der betroffene CDU-Abgeordnete Michael Silkeit, dessen Plakate abgerissen worden sein sollen, zeigte sich laut dpa „befremdet“, das Entfernen von Wahlplakaten sei schließlich „in höchstem Maße intolerant“. Größere Geschütze fährt hingegen der Kreisvorsitzende der Rostocker CDU, Daniel Peters, auf: Pejic habe „versagt“ und ein „fragwürdiges Demokratieverständnis“, mit dem sie sich auf das Niveau von Extremisten begebe. Sie solle ihre Kandidatur zurückziehen, da sie als Kandidatin nicht mehr tragbar sei.
Dabei ist die Gefahr, dass Pejic nach der Wahl am 4. September im Landtag auf Silkeit trifft, ohnehin vor allem theoretischer Natur: Pejic kandidiert auf Listenplatz 17, die Grünen stehen in aktuellen Umfragen bei sechs Prozent.
Die 27-jährige Studentin dürfte der CDU aber nicht nur qua Parteibuch ein Ärgernis sein. Pejic ist aktiv bei „Rostock nazifrei“ und auch bei „Rostock hilft“, das im Herbst 2015 über Wochen die Versorgung und Betreuung Zehntausender Flüchtlinge organisiert hat, die über Rostock nach Schweden weiterreisten.
Beide Bündnisse haben immer wieder medienwirksam die Politik der Stadt Rostock und der Landesregierung kritisiert, sei es in der Flüchtlingsfrage oder im Umgang mit Anti-Nazi-Protesten. Beliebtes Ziel der Kritik: Innenminister und CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier.
Dass dieser Hintergrund bei der heftigen Reaktion des CDU-Kreisverbands eine Rolle spielen könnte, weist Peters zurück: „Ich bin da durchaus zu differenziertem Denken fähig“, sagte er der taz am Dienstag. „Ich bausche nichts auf.“ Aus der Welt sei die Sache erst, wenn die Kandidatin „die Wahrheit“ sage.
Mittlerweile hat sich Pejic bei der CDU entschuldigt und eingeräumt, dass eine Meldung des behindernden Plakats an den Kreisverband der korrekte Weg gewesen wäre. Einem klärenden Telefonat hat sich die CDU ihren Angaben zufolge jedoch verweigert.
Auf ihre Entschuldigung per E-Mail reagierte die Partei am Dienstag: „Diese sogenannte Entschuldigung ist inakzeptabel und hat zusammen mit den von Frau Pejic gemachten Aussagen zum Vorfall wohl eher den Anschein einer billigen Ausrede“, teilt Peters mit. Er fordert eine Entschuldigung und Distanzierung der grünen Parteiführung. Im Wahlkampf gibt es keine Gnade. Hannes Stepputat
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