piwik no script img

PortraitDer Geläuterte

Laizismus war gestern: SPD-Mann Ralf Stegner Foto: dpa

Jesses, jetzt wird er religiös. Das hätte man Ralf Stegner gar nicht zugetraut: Stets und ständig ist der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende, von der CDU liebevoll Rambo-Ralf genannt, zu erleben. Er scheut weder Provokation noch Attacken auf Freund und Feind. Jeder kennt, hört, liest ihn, Stegner ist Polit-Profi auf allen Kanälen.

Eins aber hat er nicht im Griff: seine Unberechenbarkeit, die auch seinen Aufstieg zum SPD-Generalsekretär verhinderte. Diesen Makel gilt es zu beheben, und darum hat er sich einen neuen Coach gesucht: Gott höchstselbst will er seit Neuestem in die Präambel der schleswig-holsteinischen Landesverfassung aufnehmen – genau wie die Volksinitiative, die seit 2014 gegen die neue „gottlose“ Kieler Verfassung wettert.

Die wollte allerdings auch die Verantwortung vor Gott hineinschreiben. Stegner spricht lieber unverbindlich von „Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben“. Zudem soll eine Toleranz- sowie eine Demutsformel hinein, vor allem der Hinweis auf die Unvollkommenheit des Menschen.

Auch die des Politikers, und hier kommen wir zum entscheidenden Punkt: Vielleicht hofft Stegner, dass Gott ihm künftig – wie einst Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern wollte – in den Arm fällt, wenn er die Lust am Provozieren mal wieder über die Karriere stellt.

Diese Läuterung kann mit wachsender Weisheit des 56-Jährigen zusammenhängen, das wäre die gnädige Interpretation. Die ungnädige: Stegner hat gehört, dass die AfD den etablierten Parteien vorwirft, das christlich-abendländische Erbe zu verraten. Flugs hat er Witterung aufgenommen und in einer Nacht den Antrag verfasst, über den der Kieler Landtag am heutigen Freitag entscheidet.

Das Praktische: Der jüdisch-christliche Gott wird sich nicht wehren, dazu ist Schleswig-Holstein schlicht nicht wichtig genug. Schwieriger könnte es mit den Muslimen werden. Denn „Allah“ heißt zwar wörtlich gleichfalls „Gott“, ob das aber alle so auffassen und als Toleranzbeweis betrachten, steht mal dahin. Oder geht es klammheimlich vielleicht doch um jüdisch-christliche Leitkultur? Iwo, doch nicht mit dem grundsoliden Stegner! PS

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen