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PortraitDer Erziehungsberater

Kämpft gegen Islamismus: Christian Hantel Foto: dpa

Bloß nicht auf eine Diskussion über den „richtigen“ Islam einlassen – das rät der hannöversche Sozialpädagoge Christian Hantel den Eltern, die sich an ihn wenden, weil sie befürchten, dass ihre Kinder in den „Heiligen Krieg“ ziehen könnten. Hantel leitet das Beratungsteam der Präventionsstelle gegen islamistische Radikalisierung in Niedersachsen, die vor einem Jahr die Arbeit aufgenommen hat.

Seitdem hat die Beratungsstelle in 74 Fällen drohender Radikalisierung geholfen. Vor allem Eltern suchten Unterstützung. Die Mehrzahl der Betroffenen waren 18 bis 24, der Jüngste war 13 Jahre alt. 74 Prozent seien Männer, 26 Prozent Frauen, sagt Hantel. Zunächst sei etwa die Hälfte der Betroffenen aus einem muslimischen Elternhaus gekommen. Wegen des wachsenden Anteils junger Flüchtlinge mit Radikalisierungs-Tendenzen seien das inzwischen zwei Drittel. „Die Religion spielt keine tatsächliche Rolle bei der Radikalisierung“, sagt Hantel. Auch in muslimischen Familien habe die Religion oft keine große Bedeutung mehr und die jungen Menschen litten unter „religiösem Analphabetismus“. Deshalb könnten die Salafisten auch junge Muslime erfolgreich mit ihren radikalen Sichtweisen erreichen.

Ursache für eine Radikalisierung könnten Misserfolge in Schule oder Ausbildung sein oder – gerade bei jungen Mädchen – eine unglückliche Liebe. Der Salafismus sei „die absolute Protestform gegen die Werte der Eltern, aber auch gegen gesellschaftliche Werte“, sagte Hantel dem Deutschlandradio Kultur. Wenn die Eltern anfingen, mit ihren Kindern über den richtigen Glauben zu diskutieren, hätten sie schon verloren.

Er empfiehlt, stattdessen über die Freizeit und mögliche gemeinsame Unternehmungen zu sprechen. „Wir versuchen die Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu stärken“, sagt Hantel. Im Grunde mache er eine Art Erziehungsberatung. Auf diese Weise finde er auch als Nicht-Muslim Zugang zu den Eltern.

Binnen zwei Tagen würden Angehörige nach einer ersten Kontaktaufnahme von Beratern vor Ort aufgesucht. Das Drei-Personen-Team soll jetzt um eine Stelle aufgestockt werden. knö

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