Portrait: Der Arzt an der Grenze
Mit einem Auto als Arztpraxis behandelt Ijos Bietzker Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze. Der Arzt aus Lüchow-Dannenberg arbeitet seit Ende März als ehrenamtlicher Helfer zwischen Idomeni und Polykastro. Schon in Uelzen hatte er im Hundertwasser-Bahnhof eine „Flüchtlingszuflucht“ organisiert. Als die Geflüchteten da plötzlich ausblieben, hat er sich entschieden, nach Idomeni zu fahren. „Da brauchen die Leute dringender Hilfe als in Deutschland, wenn sie es gar nicht mehr schaffen, hierher zu kommen.“ Eine Genehmigung von den griechischen Behörden hat er bis heute nicht bekommen. Aber das ist ihm egal.
In den Camps von Idomeni treten viele Gesundsheitsprobleme auf, weil es an Essen und sauberem Wasser mangelt. Hilfe bedeutet dann auch, Wasserflaschen oder Bananen zu verteilen. Dasselbe macht Bietzker auch mit Schuhen und Sonnencreme. Immer wieder erschweren Gewitter das Leben in den Zelten. Auch Transporte werden durch aufgeweichte Wege behindert. Aber auch die Sonne kann gefährlich sein: Verbrennungen sind häufig. Es gibt kein gutes Wetter für Menschen, die im dauerhaften Notzustand leben, ohne die Möglichkeit Toiletten zu nutzen, zu duschen oder ihre Kleider zu waschen.
So werden gesunde Menschen schnell krank, zuerst Schwangere, Säuglinge und Kinder. Zudem schweben chronisch kranke Patienten in Lebensgefahr. Jeden Tag sortiert Bietzker gespendete Medikamente – und räumt seinen Kofferraum als mobile Apotheke voll. Trotzdem fehlen Arzneimittel, auch für Krankheiten wie Diabetes und Asthma. Und die Krankenhäuser behandeln keine Flüchtlinge. „Die medizinische Versorgung ist genauso wie der Rest der Versorgung: katastrophal“, ist Bietzkers deutliches Urteil.
Zuletzt hat die mazedonische Polizei die Situation noch schlimmer gemacht: Gummigeschosse, Blendgranaten und Tränengas wurden am vergangenen Sonntag eingesetzt, auch gegen Frauen und Kinder. Und das nicht nur an der Grenze: “Es wird zum Teil direkt auf Zelte gezielt“, schreibt Bietzker auf Facebook. Er ist schockiert. Alles ist noch viel schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte. ANNA DOTTI
Ausland SEITE 11
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