Portrait: Der Pop-Missionar
In vielen Gottesdiensten sieht man sie noch, die Klampfe-spielenden Pastoren oder Duette aus Querflöte und Jesus-huldigendem Gesang. Jan Simowitsch respektiert diese Versuche kirchen-musikalischen Mit-der-Zeit-Gehens. Aber er will mehr: Ska, Hip-Hop, Soul, Funk, Rock. Und er meint, dass Kantoren für populäre Kirchenmusik ein ebenso hohes Niveau erreichen sollten wie an der Orgel.
Seit gestern ist klar, dass Simowitsch an diesem Ziel wird arbeiten können: Ab März wird der 35-Jährige neuer Pop-Kantor der Nordkirche und für Fortbildungen, Workshops und die Beratung von Gemeinden zuständig sein.
Dort seien Gospelchöre mittlerweile Standard, auch die Zahl der Bands nehme zu. „Die Vermittlung christlicher Werte funktioniert auf vielfältige Weise“, sagt Simowitsch. Nicht sämtlic he Lieder müssten Jesus lobsingen. Zumindest bei seinen eigenen Kompositionen fällt das Christentum allerdings mit der Tür ins Haus: Kantaten, Gospel oder Jazz-Oratorien über Noah mit seinem Boot, Samson und Delilah oder die Heilige Maria. Es seien „biblisch überlieferte Geschichten neu“, so die Selbstbeschreibung, aufgeführt „für die heutigen Mitmenschen berührend“.
Dennoch: Simowitsch entspringt eher dem liberalen Flügel der evangelischen Kirche. Diese müsse „auch politisch sein, selbst wenn das nicht allen gefällt“. Sein eigener Musikgeschmack sei „bunt gemischt“, vom frühbarocken Heinrich Schütz über Jazz bis zum Anarcho-Rocker Frank Zappa. Derzeit ist The Notwist seine Lieblingsband, jener Indie-Postrock-Exportschlager aus Oberbayern.
Geboren wurde Simowitsch in Rostock. Mit sechs Jahren begann er das Klavierspielen, blieb dabei und schloss an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock als Diplom-Klavierpädagoge ab. Ab 2004 war er Kirchenmusiker in Bad Segeberg, wo er sich mit dem Projekt „Musikberg“ für junge Bands und Chöre einen Namen machte.
Bis zum Antritt des neuen Jobs habe er noch drei Soul-Konzerte, ein „anarchisches Konzert“ in einer Buchhandlung und eine Uraufführung vor sich – über Klimagerechtigkeit. „Mit der klar formulierte Message, dass Gott uns diesmal nicht retten wird“, sagt Simowitsch. jpb
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