Portrait: Der zögerliche Bischof
Er ist ein Gemütlicher. Einer, der im Nachkriegshessen aufwuchs, erst Ingenieur werden wollte, sich dann aber für die Theologie entschied. Bischof ist Norbert Trelle dann im Rheinland geworden, und über seine Schwächen sagte er einmal: „Manchmal glaube ich, ich müsste schneller handeln.“
Diese Zögerlichkeit haben ihm Medien – allen voran der WDR – jetzt vorgeworfen: Trelle, seit 2005 Bischof von Hildesheim, soll Missbrauchsvorwürfe gegen einen Pfarrer vertuscht und kircheninterne „Geheimermittlungen“ betrieben haben, statt sofort die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
Trelle findet den Vorwurf „ungeheuerlich“, und in der Tat liegt der Fall komplizierter: Wahr ist, dass eine 14-Jährige dem Bistum im März 2010 den Missbrauch durch einen Pfarrer mitteilte. Die Staatsanwaltschaft wurde aber erst im November 2010 informiert, nachdem Erziehungsberechtigte des Opfers Druck gemacht hatten. Das Bistum redet sich damit heraus, dass das Erstgespräch keine Hinweise auf einen Missbrauch erbracht habe.
Richtig ist aber auch, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen „geringen öffentlichen Interesses“ dann gegen eine Geldbuße einstellte – obwohl der Pfarrer zu den Hauptbeschuldigten des Missbrauchsskandals am Berliner Canisius-Kolleg zählte. Erst danach habe ein Kirchengericht ermittelt und den Beschuldigten zu einer Strafe von 4.000 Euro verurteilt und ihn vom Priesteramt enthoben, sagt Trelle.
Das Opfer allerdings wurde bis heute nicht entschädigt, und auch Trelles Ruf nach neuen staatsanwaltlichen Ermittlungen wirkt jetzt, wo alles öffentlich wird, wohlfeil. Zudem hat sich der Seelsorger Trelle zweifellos nicht genug in die Psyche des Opfers versetzt. Denn auch eine Verfahrensverzögerung von acht Monaten wiegt in so einem Falle schwer. PS
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