Portrait: Brasiliens Lichtgestalt
Er ist niemand, der die Öffentlichkeit sucht, aber wenn er sich zeigt, jubeln die Menschen ihm zu und applaudieren. Dabei hat Sergio Moro einen Job, der normalerweise nicht zum Popstar taugt: Der 43-Jährige ist brasilianischer Bundesrichter. Er ist zum Nationalhelden aufgestiegen, weil er Tugenden verkörpert, nach denen sich seine Landsleute derzeit sehnen. Er gilt als ehrlich und gewissenhaft und vor allem als überzeugter Gegner der Korruption. Als am Sonntag im ganzen Land Hunderttausende auf die Straße gingen, um gegen die Regierung zu demonstrieren, trugen viele ein T-Shirt mit seinem Porträt, auf Transparenten stand: „Wir alle sind Sergio Moro“.
Moro ist der führende Kopf der Ermittlungen rund um den milliardenschweren Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras. „Operation Lava Jato“ heißt das Verfahren, dessen offene Phase bereits Anfang 2014 begann, zu Deutsch: Autowaschanlage. Und die Schmutzschicht ist dick. Dutzende Politiker sind in den Skandal verwickelt, nicht nur aus der regierenden Arbeiterpartei. Auch gegen die Chefs der beiden größten Baukonzerne des Landes wird ermittelt.
Moro, der unter anderem in Harvard studiert hat, hat sich bereits vor Jahren auf Geldwäsche und Korruption spezialisiert. Dass er in seiner Position einen vergleichsweise großen Gestaltungsspielraum hat, was die Ausgestaltung von Kriminalermittlungen angeht, weiß er zu nutzen. Geschickt setzte er Kronzeugenregelungen ein und wählte als Strategie, erst gegen Wirtschaftsleute vorzugehen, um sich dann die Politiker vorzuknöpfen.
Gleich mehrere Zeitschriften wählten Moro zu einer brasilianischen Persönlichkeit des Jahres 2014. Er selbst nahm diese Ehrungen bescheiden zur Kenntnis. Die Bundespolizei führe die Ermittlungen durch, sie verdiene alles Lob. „Das Recht“, ließ sich Moro zitieren, „ist immer ein Gemeinschaftswerk.“ Auch wenn Moro Dinge ausgräbt, die den Mächtigen im Land nicht gefallen, scheint er sich um seine eigene Sicherheit bislang nicht zu sorgen. Hin und wieder sieht man, wie er in Curitiba, wo sein Dienstsitz ist, mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt.
Sebastian Erb
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