■ Portrait: Alvaro Cunhal
foto nr. 6
Foto: A. Birkeland/Saftra
Der Mann mit dem kämpferischen Blick, den kantigen Gesichtszügen und dem schlohweißen Haar hat sämtliche Stationen einer Kommunistenkarriere durchlaufen: Untergrund, Haft, Flucht, Exil, Rückkehr. Jahrzehntelang hießt Alvaro Cunhals Credo: Moskau hat recht. Doch seit dort der Putsch vom August 1991 scheiterte, weiß er seine besten Freunde in Pjöngjang und Peking.
Nach fünf Jahrzehnten, die er ununterbrochen an der Spitze der portugiesischen KommunistInnen (PCP) stand, will er auf dem heute beginnenden Parteitag nicht mehr als Generalsekretär kandidieren. Doch aus der Politik zurückziehen will sich der 79jährige nicht. Seine Partei hat extra für ihn einen „Nationalrat“ geschaffen. Als dessen Präsident kann er alle Fäden in der Hand behalten.
Wohin sollte Cunhal sich auch zurückziehen? Ein Privatleben hat der Anwalt immer geleugnet. Zwar soll es eine russische Frau und eine Tochter gegeben haben, doch davon spricht er nicht. Im Zentrum von Cunhals Leben stand der Kommunismus. Und den betrieb er linientreu: 1939 rechtfertigte er den Hitler-Stalin-Pakt, dann die Brüche mit Tito in Jugoslawien und Mao in China, 1961 die Berliner Mauer, 1968 den Einmarsch der Warschauer- Pakt-Staaten in Moskau, später den Einmarsch in Afghanistan, das Kriegsrecht in Polen und den Putsch in Moskau.
Schon als 16jähriger trat er der PCP bei und baute im Untergrund eine Jugendorganisation auf. Nach dem Tod des damaligen Parteichefs Bento Goncalves im Gefängnis im Jahr 1942 war Cunhal der Kopf der PCP. Zum Generalsekretär gewählt wurde Cunhal freilich erst 1961, als er bereits in Moskau lebte. Zwischendurch hatte Cunhal 13 Jahre lang in Gefängnissen der Salazar-Diktatur gesessen, bis ihm die Flucht aus dem berüchtigten Fort Peniche gelang.
Triumphal war Cunhals Heimkehr im April 1974 nach 14jährigem Exil. Nelkenrevolutionäre fuhren ihn auf einem Panzer nach Lissabon. In den Folgejahren gewann Cunhal gerade im verarmten Süden Portugals, aber auch im Militär, starken Rückhalt. Seither ist sein Einfluß stetig geschrumpft. Bei den Wahlen vor einem Jahr kam die PCP gerade noch auf 8,8 Prozent der Stimmen. Intern hat sie sich in Flügelkämpfen aufgerieben. KritikerInnen seiner orthodoxen Linie weist Cunhal weiterhin die Tür. Dorothea Hahn
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