■ Portrait: Peter R. Hofstätter
Von den Toten nur Gutes – das gilt sicher auch für Peter R. Hofstätter, Professor der Psychologie, der am Montag in hohem Alter an den Folgen eines Herzversagens starb. Und doch muß die Aussage möglich sein, daß nach 1945 ein Berufsverbot für den langjährigen Leiter des psychologischen Instituts Hamburg nicht unangebracht gewesen wäre. Und natürlich ist das auch ein Problem der gesamten Zunft.
Hofstätter interessierte – wohl nicht ganz ohne Grund – die Sozial- und Gruppenpsychologie. Darüber veröffentlichte er Bücher, schrieb er Artikel – in konservativen Zeitungen. Wie der Mensch in der Masse, im Zugehörigkeitsgefühl gegenüber anderen fühlt und wozu er fähig ist, das war sein Thema.
1963 machte ihm sein Lieblingsthema Schwierigkeiten – in der Bundesrepublik begann der Auschwitz- Prozeß. 22 SS-Leute und ein Kapo waren angeklagt. Aus Israel und den USA reisten Zeugen nach Deutschland, Juden, die Auschwitz überlebt hatten. Hofstätter gab ein skandalöses Interview in der Deutschen Soldatenzeitung. Auch in Vorlesungen, sagten Studenten aus, habe Hofstätter erklärt, die Ermordung der Juden sei eine Kriegshandlung gewesen – und damit im juristischen Sinne straffrei. Ein gegen Hofstätter eingeleitetes Disziplinarverfahren wurde sofort wieder eingestellt. Die Hamburger Staatsanwaltschaft fand keine formal ausreichenden Gründe dafür, und der Hamburger Senat sprach nur pro forma seine Mißbilligung aus. Hofstätter konnte seine Karriere unerschüttert, eher noch bestätigt fortsetzen. 1984 erhielt er in München den Konrad-Adenauer-Preis.
Honoratior der Psychologie Foto: Ullstein
Hofstätter stammt aus Wien, studierte dort Naturwissenschaften und Psychologie und promovierte 1936 mit einer Arbeit über „Testuntersuchungen an japanischen Kindern und das Reifungsproblem“. Als er seine Militärlaufbahn als Heerespsychologe im österreichischen Bundesheer begann, hatte Sigmund Freud Wien bereits verlassen müssen. Von 1938 bis 1943 diente Peter Hofstätter dann in der deutschen Wehrmacht. Ihre Soldaten waren an vielen Razzien und Erschießungskommandos beteiligt.
Wie in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen wurde auch in der Wissenschaft die Nazi-Vergangenheit später zwar thematisiert, aber eben nur so, daß es nicht sehr wehtat. Offenbar – auch an dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei – war das im Interesse vieler. Viola Roggenkamp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen