■ Portrait: Holger Meins
Starb vor 20 Jahren Foto: taz-Archiv
Eine Betonplatte schützt den Toten vor dem Haß des Pöbels. Der Vater ließ sie über den Sarg ziehen, nachdem er am Grab folgende Mitteilung gefunden hatte: „Sie werden ihn nicht mehr wiederfinden. Er wird an einem Baum aufgehängt. Dann wird er endlich wirklich sterben.“ Heute vor 20 Jahren verstarb Holger Meins in der Haftanstalt Wittlich nach 50 Tagen im Hungerstreik. Der 1,83 Meter große Mann wog 39 Kilogramm. Die Fotos des Toten weckten fatale Assoziationen: Auschwitz. Am folgenden Tag erschossen Mitglieder der Bewegung 2.Juni in Berlin den Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann, vermutlich bei einem Entführungsversuch. In ihrem Bekennerbrief erinnerten sie an den toten Genossen von der RAF. Mit dem Hungerstreik versuchten etwa 40 RAF-Gefangene die damals fast vollständige Isolation in den Knästen zu durchbrechen. Holger Meins war der erste, der die Tortur der Zwangsernährung über sich ergehen lassen mußte. Der Wittlicher Anstaltsarzt bestand auf der besonders brutalen Zwangsernährung mit einem dicken, durch den Mund eingeführten Schlauch. Als Meins bereits in kritischem Zustand war, genehmigte sich der Anstaltsarzt ein verlängertes Wochenende. Am 8. November telefonierte der Gefangene mit seinem Anwalt, er teilte ihm mit, daß er nicht mehr aufstehen könne. Erst nach einer Intervention des zuständigen Richters in Stuttgart wurde der Anwalt am folgenden Tag, einem Samstag, in die Zelle seines Klienten vorgelassen. „Holger Meins stirbt“, schrieb der Anwalt an den Richter, „Sie sind für seinen Tod verantwortlich, denn die Bedingungen der Haft bestimmen Sie.“ „Buback (1977 von der RAF erschossener Generalbundesanwalt, d. Red.) hatte uns eine Leiche vorgeworfen in dem Kalkül, daß wir daran resignieren“, erklärte Karl- Heinz Dellwo 1990. Nach dem Tod des Genossen tauchte er ab. Im April 1975 war Dellwo dabei, als ein „Kommando Holger Meins“ die deutsche Botschaft in Stockholm stürmte und die Freilassung von 26 Gefangenen verlangte. Die Aktion der RAF kostete zwei Bedienstete und zwei Kommandomitglieder das Leben. „Revolutionär, im Kampf – bei aller Liebe zum Leben: den Tod verachtend. Das ist für mich: dem Volke dienen“, schrieb Meins, dem Hungertod schon nahe. An seinem Grab reckte Rudi Dutschke, der die Methoden der RAF immer ablehnte, die Faust: „Holger, der Kampf geht weiter!“ Gerd Rosenkranz
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