Portrait Sebastián Piñera: Der chilenische Berlusconi
Sebastián Piñera hat den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl in Chile klar gewonnen. Der konservative Kandidat verspricht eine Million Arbeitsplätze.
Sebastián Piñera wandert wie ein Prediger über die Bühne. In einer Hand das Mikrofon, die andere Hand nach oben gereckt, beruft sich der konservative chilenische Präsidentschaftskandidat auf den lieben Gott. Der 60-Jährige, der den ersten Wahlgang am Sonntag klar gewann, gibt sich als Spross der Mittelschicht. Mit Ausdauer habe er einen Studienplatz für Betriebswirtschaft an der Universidad Católica in Santiago erobert und später in Harvard promoviert. Jetzt verspricht er eine Million Arbeitsplätze.
Mit einem Vermögen von rund einer Milliarde Dollar zählt Piñera zu den zehn reichsten Chilenen. In der Forbes-Milliardärsrangliste liegt er auf Platz 701, doch soll er in der Finanzkrise bis zu 400 Millionen Dollar verloren haben. Er machte sein Vermögen mit Immobilien-, Finanz- und Börsengeschäften. Den Löwenanteil erwarb er in der Pinochet-Diktatur (1973-1990). Öfter soll er mit Insiderwissen billig gekauft und dann auf Wertsteigerungen spekuliert haben. Im Unternehmerlager hat er deshalb nicht viele Freunde. Weil er den TV-Kanal Chilevisión besitzt und Hauptaktionär bei Chiles wichtigstem Fußballclub ist, wird er schon mal als chilenischer Berlusconi bezeichnet.
Piñera wuchs in einer Familie von Christdemokraten auf. Böse Zungen behaupten, er sei nur deshalb nie der christdemokratischen Partei, sondern der rechtskonservativen Renovación Nacional (RN) beigetreten, weil er nur dort eine Chance zu Präsidentschaftskandidatur bekommen würde. 2005 war es so weit. Doch damals trat die Rechte mit zwei Kandidaten an und scheiterte. Jetzt ist es umgekehrt: Piñera vereinigte die Rechte weitgehend hinter sich, während sich das Regierungsbündnis auf drei Kandidaten aufteilte.
Mit dem Hinweis, dass er sich 1988 beim Plebiszit gegen die Amtsverlängerung von Augusto Pinochet engagierte, versucht er sich von seinen und den Verstrickungen seiner Parteifreunde abzugrenzen. "Als Präsident werde ich die Menschenrechte respektieren, aber die Gräben der Vergangenheit sollen sich nicht vertiefen," sagte er zur Aufarbeitung der Diktatur-Verbrechen und versucht sich so mit den Militärs gut zu stellen.
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