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Portrait Präsident FC BarcelonaGutmensch und Separatist

Barca-Präsident Joan Laporta propagiert die Loslösung Kataloniens von Spanien. Offenbar will er seine politische Karriere auf dem extremistischen katalanischen Flügel vorbereiten.

Joan Laporta, gesehen auf an einer Separatisten-Demonstration am 11.09.2009. Bild: reuters

BARCELONA taz | An der Plaça Francesc Macià fließt der Verkehr vierspurig durch Barcelona. Auf die Idee, dort mitten auf der Straße auszusteigen, waren vor Joan Laporta noch nicht viele gekommen. Der Präsident des FC Barcelona aber sprang an der Ampel aus seinem japanischen Dienstwagen, riss von außen die Fahrertür auf und schrie inmitten von Autos seinen Chauffeur an: "Raus! Raus! Du steigst sofort aus!" Dann setzte er sich selbst ans Steuer. Der Chauffeur hatte ein wenig zu abrupt gebremst für Laportas Geschmack.

Eine Anekdote, wiegelte Laporta ab. Tatsächlich gaben solche Vorfälle einem charismatischen Präsidenten nur ein wenig Farbe. Joan Laporta, jugendliche 47 Jahre alt und Anwalt, etablierte seit seiner Wahl 2003 den FC Barcelona als Modell des Guten in der Fußballwelt. In seinem Mandat gewann Barça mit edelmutigem Fußball zweimal die Champions League. Als einziger Profiklub verweigert man die Trikotbrust Sponsoren und wirbt stattdessen gratis für Unicef.

Doch mit derselben Systematik und Courage, mit der Laporta den Klub in die erfolgreichste Zeit führte, macht er sich selbst regelmäßig zur größten Belastung seines Projekts. Während Barça, das an diesem Dienstag in der Champions League auf Dynamo Kiew trifft, sportlich weiter mit graziöser Autorität aufspielt, stürzte Laporta den Klub mit 170.000 Mitgliedern ebenso zielsicher in eine Sinnkrise.

Am 11. September, dem katalanischen Nationalfeiertag, ging Laporta bei einer Demonstration für die Unabhängigkeit Kataloniens in der ersten Reihe, die Faust in der Luft. "Hast du den Verstand verloren?", schrie ihn der Ministerpräsident der Region Kantabrien, Miguel Ángel Revilla, beim Ligaspiel in Santander an: "Du bringst den Klub in die Politik." "Ihr Spanier", brüllte Laporta da zurück, "ihr zermalmt Katalonien!"

Spätestens seit der Unterdrückung der Katalanen in der Franco-Diktatur hat sich Barça immer als Vertreter des Katalanentums definiert, als Nationalelf einer Nation ohne Staat. Doch galt es als heiliges Gebot, dass sich Klubvertreter nie politisch äußern, schon alleine weil Barças Publikum politisch divers ist. Nur 19 Prozent der Katalanen etwa sympathisieren nach Umfragen mit einer Loslösung von Spanien. Gerade Laporta hatte es wie kein anderer verstanden, in einem kuriosen Spagat Barça als Heimat der Katalanen und gleichzeitig Liebling des globalen Publikums zu etablieren. Er hielt sich prinzipiell an die politische Schweigepflicht.

Allenfalls ließ er verstohlen die spanische Flagge vom Trainingsgelände entfernen, nur um dann gleich wieder nach Bosnien oder Kamerun aufzubrechen, um Barça als humanitäre Kraft einzubringen. Nun aber endet sein Mandat 2010, ein Präsident darf nach zwei Amtszeiten nicht wieder gewählt werden, und Laporta will offenbar seine politische Karriere auf dem extremistischen katalanischen Flügel vorbereiten.

Mit seiner plötzlichen Separatistenshow hat er das tolerante Image und den sozialen Frieden des Klubs zerstört. Vor allem Barças Millionen spanische Fans sind brüskiert. Die Bars in der Stadt ließen sie nicht einmal mehr die Poster für die Barça-Weihnachtslotterie aufhängen, meldet der Fanklub Zamora aus dem Westen Spaniens. Sie seien nun "Scheiß-Katalanen".

Nicht zum ersten Mal setzte Laporta für sich selbst die ethnischen Maßstäbe aus, die er Barça gab. So billigte er, dass Barças Generaldirektor vier Präsidiumsmitglieder von Detektiven ausspionieren ließ. Die vier wollen Laportas Kandidaten für seine Nachfolge nicht mittragen. Andere Merkwürdigkeiten sind nie untersucht worden. Warum etwa bezahlte Barça 25 Millionen Euro Ablöse für zwei Brasilianer, Henrique und Keirrison, die ganz offensichtlich nicht Barças Niveau haben und auch nie für Barça spielten, sondern sofort ausgeliehen wurden, Henrique zunächst vergangenes Jahr an Bayer Leverkusen. Ein Sinn für Barça ist in den Transfers nicht zu erkennen - es sei denn, jemand im Klub wollte sich Geld abzweigen. Laporta hat die Transfers bewilligt.

Und trotz alledem ist Laporta ein wegweisender Präsident. Er traf visionäre Entscheidungen, wie den unerfahrenen Pep Guardiola zum Trainer zu machen. Außerdem schaffte er es, die Hooligans aus dem Stadion zu verbannen. Nun läuft er Gefahr, dass sein Wirken von Kontroversen übertüncht wird. Er möchte sie gerne Anekdoten nennen. "Ach, diese Vorfälle wie der mit dem Chauffeur", sagte er. "Am Ende sind wir doch zusammen ins Stadion gefahren. Er auf dem Beifahrersitz, ich am Steuer."

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3 Kommentare

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  • UR
    Ulrich Roth

    Eins vorweg: Trotz seines regelmäßigen Outputs an diversen mehr oder weniger lustigen Skandälchen halte ich Joan Laporta alles in allem für einen guten, gemessen an seinen unmöglichen Vorgängern sogar großartigen Präsidenten, der neben einigen fragwürdigen auch ganz viele goldrichtige Entscheidungen getroffen hat.

     

    Dass er jetzt separatistisch die Fahne gehisst hat, ist natürlich zur Unzeit (er sollte damit warten, bis er wieder nur sich selbst und nicht einen der wichtigsten Klubs der Welt repräsentiert), aber m.E. kein Grund für die ganz große Empörung.

     

    Ein anderes Kaliber ist da schon die Affäre mit dem Ausspionieren (durch eine vom Generaldirektor des Klubs Joan Oliver auf Klubkosten beauftragte Detektei, Rechnung 56.000 Euro) der vier Vizepräsidenten Joan Franquesa, Joan Boix, Rafael Yuste und Jaume Ferrer. In diesem Zusammenhang gibt es weit mehr Fragen als Antworten, und gar keine ernstlich glaubhaften Antworten.

     

    Eine Kurzfassung der offiziellen Version sieht so aus: Bei diesen vier Präsidiumsmitgliedern, alle als mögliche Kandidaten für die Nachfolge Laportas als Präsident gehandelt, wurde "zu ihrem eigenen Schutz" (vor nicht näher spezifizierten möglichen Angriffen) ein routinemäßiger "Sicherheitscheck" veranstaltet. Dieser habe nichts weiter ergeben.

     

    Allerdings war in den Medien sofort davon die Rede, dass bei einem - nicht namentlich genannten - der vier etwas "größeres", und bei den anderen nichts oder nur Kleinigkeiten gefunden worden seien. Mit anderen Worten, alle vier sind nunmehr irreparabel diskreditiert und ihre Wahlchancen fatal beschädigt; wahrscheinlich wird keiner von ihnen überhaupt nur antreten.

     

    Generaldirektor Oliver wurde gefragt, warum denn zwei andere, allgemein als Favoriten von Laporta selbst angesehene Kandidaten-in-spe, nämlich Alfons Godall und Xavier Sala i Martin, nicht auch auf diese Weise "geschützt" worden seien. Seine Antwort: Godall habe sich vor der Aktion selbst aus dem Präsidentschafts-Rennen genommen, und Xavier Sala i Martin sei erst danach Mitglied des Präsidiums geworden.

     

    Interessanterweise hat Godall seinen damaligen Verzicht mittlerweile zurückgenommen, so dass nun, nachdem der Rauch sich verzogen hat, für die "kontinuistische" Kandidatur nur noch die beiden Spezis von Laporta übrig sind. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

  • IN
    Ihr Name Hannes

    schön solch einen hintergrundartikel zu meinem lieblingsverein zu lesen. als kenner des vereins muss ich jedoch sagen, dsas der artikel recht polemisch und einseitig ist. natürlich ist laporta kein heilsbringer und seine methoden sind manchmal fragwürdig. das er aber einen detektiveinsatz abgesegnet hat entspricht keinesfalls der wahrheit. dazu muss man nur mal die spanischen zeitungen (auch die seriösen) lesen. vielmehr waren die detektive zur sicherung der privatsphäre der vizepräsidenten engagiert worden. auch die transfers, vor allem der von keirisson ist unter sportlichen gesichtspunkten sinnvoll, dass werden sachverständige sicherlich bestätigen. setzen sie sich nicht durch bei anderen vereinen würden sie das auch nicht bei barca tun und so den nachwuchsspielern aus der eigenen reige plätze weg nehmen. katalonien ist identitätsstiftend für den verein, vorallem angesichts des franco-regimes unter dem der verein stark gelitten hat. eine politische stellungnahme in dieser form durch den präsidenten finde aber auch ich fehl am platz!

  • D
    David

    Ein guter und interessanter Artikel.

     

    Allerdings finde ich den Korruptionsverdacht bei den Transfers von Henrique und Keirrison kaum begründet.

     

    Letzterer wurde mit 19 Jahren zum Torschützenkönig der brasilianischen Liga und galt in Spanien schon letztes Jahr als der kommende brasilianischen Superstar im Sturm.

     

    Henrique hingegen hat mit 21 bei Leverkusen durchaus auch gezeigt, dass er ein hohes Niveau erreichen kann. Und wenn es für Barca nicht reicht, sollte er als Transfer doch die bezahlten 8 Mio. wieder einbringen können.

     

    Die Ablöse von 14 und 8 Mio. scheint im Wahnsinn des aktuellen Fussballtransfermarkts gerechtfertigt, zumal Barcelona durch den Gewinn des Triples (Meisterschaft, Pokal und Champions League) wahrlich keinen Mangel an Kapital hat (anstatt in Aktien wird in Fussballtalente investiert, vielleicht schafft ja einer den Sprung). Da haben andere Vereine für Talente dieses Alters schon deutlich mehr gezahlt (bspw. Valencia 18- Mio für Banega;Atletico Madrid 22 Mio. für Agüero, Bayern 12 Mio. für Breno)