Portrait Gesundheitsminister Rösler: Telegener Westerwelle-Konkurrent
Er ist Arzt, er ist jung – und telegen. Mit Philipp Rösler nominiert die FDP einen Mann fürs "soziale Profil" als künftigen Gesundheitsminister. Der Mann hat Potential.
BERLIN taz | Am Anfang war "Willi". Mit der Handpuppe und seiner Bauchrednerstimme nahm Philipp Rösler früher kleinen Patienten die Angst. Auch in der Politik hat der Arzt früh begriffen, dass es bei der Vermittlung bitterer Botschaften auf den Ton ankommt. Das wird der Vater zweier Töchter im Gesundheitsressort unter Beweis stellen können.
Mit der überraschenden Entscheidung für den Mann aus Niedersachsen hat Guido Westerwelle einen Coup gelandet. Denn Rösler gilt als Allzweckwaffe seiner Partei. Der 36-Jährige hat selbst für FDP-Verhältnisse einen rasanten Aufstieg hingelegt.
Mit 18 tritt er in die Partei ein. 2003, mit 29 Jahren, wird er Chef der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Drei Jahre später wird er Vorsitzender der Landespartei und rückt bald ins Bundespräsidium auf. Anfang diesen Jahres folgt der Schritt zur Macht: Mit 35 Jahren wird Rösler Wirtschaftsminister in Hannover – ein gewaltiger Schritt.
Die Entsendung ins Schlachtfeld der Berliner Gesundheitspolitik ist die größte Bewährungsprobe für Rösler. Besteht er sie, erwächst dem bisher unangefochtenen Parteichef Westerwelle erstmals ein telegener Konkurrent und möglicher Nachfolger.
Dabei zählt zu Röslers größten Leistungen, wie bei seinem Vorbild Westerwelle, bislang weniger die Veränderung realer Verhältnisse, sondern die Erzeugung von Aufmerksamkeit für seine Partei, der er zu einem "sozialen" Profil verhelfen will.
Und das kann Rösler weit überzeugender verkaufen als der künftige Außenminister. 1973 in Vietnam geboren, wurde er im Alter von neun Monaten von einem deutschen Ehepaar adoptiert. Nach dessen Trennung wächst er bei seinem alleinerziehenden Adoptivvater, einem Bundeswehroffizier, auf.
Auch die Privatisierung der Krankenversicherung, die der Hannoveraner in den Koalitionsverhandlungen auf den Weg gebracht hat, verkauft Rösler als sozial gerecht. Bislang müssten die gesetzlichen Krankenkassen größtenteils auf das Geld der Versicherten zurückgreifen. Künftig käme ein "sozialer Ausgleich" durch Steuergelder hinzu, also auch Geld von Gutverdienern.
Eine der spannendsten Fragen wird sein, ob Rösler diese Beteuerungen ernst meint. Oder ob sie nur von der altbekannten FDP-Botschaft des "Jeder ist sich selbst der Nächste" ablenken sollen. So wie früher die Puppe "Willi" von der Spritze.
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