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PorträtDer glückliche Arbeitssuchende

Wie rasant es im Profi-Fußball zugehen kann, zeigte sich in den vergangenen Tagen am Beispiel von Sejad Salihovic. Noch vor einer Woche war der 32-jährige Bosnier arbeitslos, nun ist er der neue Hoffnungsträger des schlingernden Bundesliga-Urgesteins Hamburger SV.

Vor dem neuen Engagement hatte er sich über Wochen hinweg in Geduld üben müssen. Der Mittelfeldakteur, der zuletzt für den Schweizer Erstligisten FC St. Gallen aktiv war, ging während der überhitzten Transferperiode in diesem Sommer leer aus. Und so klopfte er zunächst bei seinem früheren Arbeitgeber TSG 1899 Hoffenheim an, bat darum, sich bei der zweiten Mannschaft fit halten zu dürfen. Dies wurde ihm ermöglicht.

Letztlich stieg er in seiner Rolle als Trainingsgast sogar in das Profiteam der TSG auf. Dessen Coach Julian Nagelsmann verzichtete allerdings darauf, Salihovic mit einem Vertrag auszustatten. Dies wäre bei einem arbeitslosen Profi ohne Probleme möglich gewesen. Salihovic, der „wegen des Geldes“, wie er einräumt, auch schon für den chinesischen Club Guizouh Renhe gespielt hat, passte mit seiner ruhigen Art des Ballspiels nicht in das Tempo-Konzept der Kraichgauer.

Beim Hamburger SV waren sie notgedrungen weniger wählerisch. Da sich kurz nach Saisonbeginn drei Offensivkräfte (Nicolai Müller, Filip Kostic und Aaron Hunt) verletzt hatten, sahen sie sich an der Elbe unter Zugzwang. Ein Ersatz musste her. Und dann ging alles ganz fix: Am vergangenen Mittwoch unterschrieb Salihovic einen leistungsbezogenen Vertrag bis zum Ende dieser Saison. Am Freitagabend war er beim Spiel seines neuen Vereins bei Hannover 96, das mit 0:2 verloren ging, dann auch schon dabei.

Er saß zunächst auf der Bank. Als Trainer Markus Gisdol aber nach einer Stunde beim Spielstand von 0:1 das Gefühl hatte, etwas machen zu müssen, fiel seine Wahl auf Salihovic. Der Bosnier sollte seinem Ruf gerecht werden, ein Spezialist am ruhenden Ball zu sein. Mit seinen Freistößen und Eckbällen sorgte er in der restlichen guten halben Stunde tatsächlich für Gefahr, eine Wende konnte er dem Spiel aber nicht geben.

„Ich habe nach meiner Einwechslung versucht, dem Team zu helfen, meine Erfahrung einzubringen: Das ist meine Pflicht“, sagte Salihovic. Zwei Tage zuvor hatte er betont, wie froh er über das Ende seiner Untätigkeit sei. „Wenn ein Verein wie der HSV ruft, muss man nicht lange überlegen. Für mich ist das ein Glücksfall.“ Dass sich der HSV einiges vom einstigen China-Legionär verspricht, zeigte sich an der Vergabe der Trikotnummer. Er erhielt die 23 – jene Nummer, die einst der Niederländer Rafael van der Vaart in Hamburg trug. GÖR

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