Porträt: Der Strippenzieher
Fünf Jahre sind im Profifußball eine Ewigkeit. Man kann in dieser Zeit aus Abstiegskandidaten Spitzenteams formen – oder umgekehrt. Als Joachim Hilke 2011 Vorstand für Marketing beim Hamburger Sport-Verein wird, gilt der noch als Spitzenteam. Als er ihn Ende 2016 wieder verlässt, ist der traditionsbewusste Bundesligist sportlich und finanziell eine Ruine und kämpft wieder einmal um die Existenz. Hilke hat seinen Anteil daran. Nur bekam davon kaum jemand etwas mit.
Diejenigen, die etwas mitbekamen, ist Hilke losgeworden. Ex-Sportchef Frank Arnesen war der Erste, den er aus dem Weg räumte. An dessen Stuhl hatte er kräftig mitgesägt, als er 2012 auf Wunsch des Investors Klaus-Michael Kühne den Niederländer Rafael van der Vaart verpflichtete. Über Arnesens Kopf hinweg. Der hatte andere Pläne, wollte Christian Eriksen aus Amsterdam holen. Eriksen ist heute 35 Millionen Euro wert. Doch das Glamourpaar Sylvie und Rafael ließ sich damals einfach besser vermarkten.
Genauso wie Trainingslager, Freundschaftsspiele und Auslandsreisen. Dazu beauftragte Hilke die Agentur Match IQ, an deren Gründung er nicht unbeteiligt war. Dem Geschäftsführer Nicholas MacGowan, bis dato sein Assistent, besorgte Hilke einen Investor: seinen Golfkumpel Kai Flint. Der damalige Aufsichtsrat wurde hellhörig und hakte nach. Hilke erzählte nicht die ganze Wahrheit. Das tun Marketingleute ohnehin selten. Bevor die Kontrolleure den Fall gründlich überprüfen konnten, standen sie selbst am Pranger.
Um auch sie loszuwerden und gleichzeitig Kühne noch mehr Macht und Einfluss zu verschaffen, trieb Hilke eine Mitgliederinitiative zur Ausgliederung des Profifußballs in eine Aktiengesellschaft von innen heraus an. Mit allen Mitteln, die zu einem Wahlkampf dazugehören. Sein Plädoyer für tiefgreifende Veränderungen war durchaus riskant und hätte ihn den Kopf kosten können. Kühne und sein Vertrauter Karl Gernandt, der den „neuen“ Aufsichtsrat nach der Ausgliederung anführte, belohnten seinen Einsatz gegen alle Widerstände mit einer Vertragsverlängerung bis 2018.
Erfüllen konnte Hilke diesen Vertrag jedoch nicht. Im November 2016 nahm er überraschend seinen Hut. Angeblich aus „persönlichen Gründen.“ Inoffiziell hieß es, dass er beim Intrigieren gegen die Vorstandskollegen Dietmar Beiersdorfer und Frank Wettstein aufgeflogen war. Dabei blieb es aber nicht. Wenige Monate später flatterte die fristlose Kündigung ins Haus. Auch die Mauscheleien rund um die Agentur Match IQ wurden offenbar aufgedeckt. Jedenfalls stellte der HSV Strafanzeige. Die Beweislast sei erdrückend, heißt es aus dem Umfeld des Klubs. Für den Strippenzieher wird es eng. Daniel Jovanov
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen