Porträt: Der Millionen-Glücksgriff
Er war gerade mal acht Tage in Deutschland, da stand er das erste Mal für den Hamburger SV auf dem Rasen. Nach elf Tagen köpfte er beim 3:0-Sieg in Leipzig sein erstes Bundesliga-Tor, obwohl er dafür als defensiver Mittelfeldspieler gar nicht unmittelbar zuständig ist. Der Brasilianer Walace Souza Silva ist in Hamburg eingeschlagen wie eine Bombe.
Der Club war mit der Verpflichtung des Jung-Nationalspielers kein geringes Risiko eingegangen: Der 21-Jährige hatte bis dahin noch nie außerhalb von Brasilien gelebt, geschweige denn Fußball gespielt. Der HSV hatte ihn für geschätzt gut neun Millionen Euro von Gremio Porto Alegre geholt. Das wäre der fünftteuerste Transfer der HSV-Geschichte. Und obwohl vor der Abwehr dringender Handlungsbedarf bestand, war niemand beim HSV davon ausgegangen, dass Walace (sprich: Wollissi) der Mannschaft sofort würde helfen können.
Nun sieht es so aus, als habe er sich schon in der Stammelf der Hamburger festgespielt. Jedenfalls stand er beim 2:2 gegen den SC Freiburg schon zum dritten Mal in Folge in der Startaufstellung. Er scheint sich in Rekordzeit akklimatisiert zu haben. Dass ihm in Hamburg immer noch ziemlich kalt ist, wie er der Hamburger Morgenpost sagte, sieht man nur daran, dass er mit Handschuhen auf dem Platz steht.
Doch er spielt, als hätte er deutschen Effizienzfußball mit der Muttermilch aufgesogen: schnörkellos, einfach, physisch sehr robust. Dass er gegen Freiburg kein ganz großes Spiel macht und nach 83 Minuten gegen den eigentlichen Stammspieler Albin Ekdal ausgewechselt wird, liegt wohl auch daran, dass von den Kollegen, die er gerade mal knapp drei Wochen kennt, ein paar wichtige verletzt ausfallen. Und daran, dass er nach drei Spielen in einer Woche ein kleines bisschen müde ist.
Vielleicht hat das auch sein Gutes, denn zum Spiel waren nicht nur Hamburger und Freiburger Fans gekommen, sondern auch Späher von Clubs aus Englands Premier League. Leicester City und der FC Everton sollen interessiert sein, Walace schon in diesem Sommer vom HSV zu verpflichten.
Sein Berater hat zwar Gerüchte über einen erneuten Wechsel dementiert. Walace selbst weiß jedoch zumindest, wie man seinen Marktwert auch abseits des Platzes hochhält: Nach dem ersten Kopfballtor seiner Profikarriere in Leipzig ließ er die Öffentlichkeit wissen, sein Freund Neymar habe ihm dazu gratuliert. Die beiden wurden im vergangenen Sommer gemeinsam Fußball-Olympiasieger. Und Walace weiß: Es kann überhaupt nicht schaden, mit dem Stürmerstar des FC Barcelona in Verbindung gebracht zu werden. jank
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