Porträt: Die verwegene Paddlerin
Die Copacabana – welch traumhafte Perspektive! Und welch Kontrast zum Ufer des Maschsees, an dem Sabrina Hering häufiger entlanggeht. Unweit davon, auf dem Stichkanal in Hannover-Linden, trainiert die 24-jährige Kanutin, die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) für die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro nominiert worden ist. Olympia, und sie mittendrin, als Athletin – der Gedanke erscheint Hannovers und Niedersachsens Sportlerin des Jahres 2015 verwegen.
„Ich kann das gar nicht fassen, das ist so unwirklich. Ich erwarte schon etwas Großes für mein Leben: die Atmosphäre vor Ort, das Olympische Dorf, die Anfeuerung an der Strecke“, sagt Hering, die bisher außerhalb Niedersachsens noch nicht so richtig wahrgenommen wurde. Bei Wikipedia finden sich gerade einmal fünf schmale Sätze zu der Leistungssportlerin – dabei ist sie im Junioren- und U23-Bereich sowohl Europa- als auch Weltmeisterin geworden und gewann bei der EM 2014 im Zweier-Kajak mit Steffi Kriegerstein Bronze.
Auf der Kanustrecke in der Lagune Rodrigo de Freitas in Rios Stadtteil Copacabana wird Hering im Kajak-Vierer an den Start gehen, zusammen mit Kriegerstein, Tina Dietze und Franziska Weber. Der Gewinn einer Medaille ist das erklärte Ziel.
Bei der Volkswagen AG wird Herings Olympia-Nominierung als Erfolg der Sportförderung des Konzerns gedeutet. Die Kanutin besetzt eine von zwei Sportförderstellen in der Sportkommunikation. Sie arbeitet am Standort Hannover als Sachbearbeiterin im Personalwesen der Sparte Nutzfahrzeuge.
Wie es mit dem Programm der Sportförderung weitergeht, ist ungewiss. Der Abgasskandal hat für den Konzern immense Kosten verursacht. Im vergangenen Jahr hat VW mit 4,1 Milliarden Euro den größten Verlust der Firmengeschichte eingefahren. Von Einsparungen auf nahezu allen Ebenen ist seitdem zu hören – davon wären auch der Fußball-Bundesligist VfL Wolfsburg und der Eishockey-Spitzenklub Grizzlys Wolfsburg betroffen. Man dürfe hier aber nicht das Sportsponsoring des Konzerns mit der Sportförderung vermischen, sagt Gerd Voss, Leiter der Sportkommunikation: „Die Sportförderung wird genauso weitergehen.“
Für Sabrina Hering beginnt das Abenteuer Olympia am 10. August mit dem Flug von Frankfurt nach Rio. Die Kanurennen starten fünf Tage später. „Natürlich würde ich gerne mit einer Medaille nach Hause kommen, aber ich setze mich nur selten unter Druck“, sagt Hering. „Das ist vielleicht meine Stärke: Ich weiß, was ich kann, und bleibe entspannt. Denn eigentlich ist Kanufahren doch ganz einfach: links, rechts das Paddel ins Wasser setzen – und gut is'!“ GÖR
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