Portal zeichnet Aktivität von IP-Adressen auf: "Du wirst beobachtet"
Ein Internetportal zeichnet Inhalte auf, die unter einer IP-Adresse geladen wurden. Dazu zählen Musik, TV-Serien und Pornos. Jetzt ist auch die Musik-Lobby auf der Liste aufgetaucht.
Einfach Mal gucken, wer was im Internet heruntergeladen hat - mit dem Angebot "you have downloaded..." ist das einfach. Die Website hat Millionen Tauschvorgänge im Peer-to-Peer-Netzwerk Bittorrent abgespeichert und spuckt die Ergebnisse nun nutzerfreundlich wieder aus. Einfach eine IP eingeben und der Service verrät, welche Dateien von hier heruntergeladen wurden.
Im Prinzip unterscheidet sich das Vorgehen der russischen Entwickler der Website nicht von den Firmen, die im Auftrag der Musikindustrie die Tauschbörsen überwachen, um die Nutzer anschließend kostenpflichtig abzumahnen.
Bittorrent verknüpft Internetnutzer, die die selben Dateien tauschen wollen. Das sorgt zwar einerseits für sehr schnelle Downloads, da ein Downloader auf viele Quellen gleichzeitig zugreifen kann. Andererseits wird der Tauschvorgang aber auch sehr öffentlich sichtbar, da jeder Teilnehmer in den ganzen Schwarm kommuniziert, welche Dateien er herunterlädt. Diese Daten kann man einfach mitschneiden und abspeichern.
Schlaue Nerds beobachten Dich
"Du sitzt allein in Deiner Wohnung, klickst auf Links, liest Dinge, schaust Filme – Du fühlst Dich ziemlich unbeobachtet. Aber in Wahrheit wirst Du beobachtet von schlauen Nerds", heißt es auf der Webseite. Fein säuberlich wird festgehalten, welche Datei wann von welcher IP-Adresse heruntergeladen wurde.
Wer die Website besucht, wird entweder mit der Botschaft begrüßt "Hi. We have no records on you" oder man erhält eine Liste von Dateien, die von der eigenen IP heruntergeladen wurden. Zusätzlich kann man die Download-Statistik jeder anderen IP abrufen. Die Daten erscheinen schlüssig: in der Datenbank finden sich einfach Downloads von Filmen, TV-Serien und auch Pornos.
Beweiskräftig ist das natürlich nicht. Gerade in Deutschland wechseln die IP-Adressen von Privatkunden häufig. Ergebnis: Wer hierzulande die Webseite aufruft, erhält mit großer Wahrscheinlichkeit keine Liste der eigenen Downloads, sondern von anderen Kunden des eigenen Providers.
Gleichzeitig werden auch bei weitem nicht alle Bittorrent Downloads erfasst: Die Entwickler schätzen, dass sie derzeit 20 Prozent aller öffentlichen Verbindungen im Bittorrent-Netz erfassen. Zudem wird nicht der genaue Zeitpunkt der Datenverbindung ausgegeben.
Französische Regierung und Musik-Lobby auf Liste
Immerhin: wenn eine Organisation feste IP-Adressen besitzt, lassen sich Downloads so einfach zuordnen. So fanden eifrige Blogger schnell heraus, dass unter den IP-Adressen der französischen Regierung Downloads verzeichnet waren – dabei hatte die mit dem umstrittenen Hadopi-Gesetz den illegalen Downloads den Kampf angesagt.
Noch brisanter: Die Website "Torrentfreak" fand auch Downloads unter IP-Adressen, die der US-Musiklobby RIAA zugeteilt sind. Die Organisation ist weltweit einer der verbissendsten Kämpfer gegen unerlaubtes Filesharing und hat mit seinen Mitgliedsfirmen in den USA mehr als 26.000 Nutzer verklagt.
Die RIAA reagiert mit einem Dementi – zumindest einem halben. Gegenüber dem US-Dienst CNet erklärte ein Sprecher der Organisation, man habe die IP-Adressen überprüft, die von den eigenen Angestellten genutzt werden und die seien sauber. Die IP-Adressen, die Torrentfreak gefunden habe, seien zwar der RIAA zugeteilt. "Diese Adressen werden aber von einem Dienstleister benutzt, der unsere öffentliche Website betreibt", lässt die Lobbyorganisation mitteilen.
Mit einer solchen Ausrede hätten Privatnutzer freilich nur wenig Erfolg. So hat das Amtsgericht München gerade eine Rentnerin zur Zahlung von 650 Euro Abmahnkosten verurteilt, weil von ihrem Internet-Anschluss ein Hooligan-Film kopiert worden sei. Dass die pflegebedürftige Frau zu dem Zeitpunkt weder Computer noch WLAN-Router hatte, reichte nicht aus, um sie von dem Verdacht des Filesharings zu befreien.
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