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Pornographie und Technik„Den Ausbau des Netzes beschleunigt“

Ist Pornografie der heimliche Motor technologischer Entwicklungen? Zumindest hätten Pornos sie beschleunigt, sagt Technologieforscher Jonathan Coopersmith.

Pornopublikum: junge Männer mit relativ hohen Einkommen. Bild: spacejunkie / photocase.com
Interview von Giuseppe Paletta

taz.de: Pornografie war 40.000 Jahre lang eine wichtige Quelle für Kreativität und Innovation, schreibt der kanadische Journalist Patchen Barss in seinem aktuellen Buch „The Erotic Engine“. In jüngster Zeit habe die Pornografie die Entwicklung vieler Neuer Medien angetrieben. Stimmen Sie mit dieser These überein?

Jonathan Coopersmith: Die Pornografie hat es meiner Meinung nach oft geschafft, ihr Publikum für Neue Medien zu gewinnen. Ein Publikum, welches auch bereit ist, für Inhalte zu bezahlen. Aber wenige Technologieprodukte wurden ausschließlich der Pornografie wegen entwickelt. Vielmehr hat der Pornografiemarkt oft als Erster die neuen Technologien – wie in den 80er Jahren beispielsweise das VHS-System oder später das Internet – für sich zu nutzen gewusst.

Ist es wahr, was Barss schreibt, dass wir ohne Pornografie keine Dienstleistungen wie Online-Banking, Google, Amazon, Skype oder Youtube haben würden?

Man kann sagen, dass die Pornografie den Ausbau des Internets wesentlich beschleunigt hat. Ist das pornografieinteressierte Publikum einmal für eine neue Technologie gewonnen, beginnt es sich mit dieser auseinanderzusetzen, eine Euphorie dafür zu entwickeln, auszuprobieren und schafft wirtschaftlich gesehen eine erste Nachfrage.

Laut Barss werden Pornokonsumenten oft die besten Kunden innerhalb des neuen Mediums und begeistern sich für pornofreie Inhalte. Was meinen Sie dazu?

Die Pornokonsumenten, von denen wir sprechen sind, in der Vielzahl junge Männer im Alter zwischen 20 und 30 mit relativ hohen finanziellen Einkommen. Sie sind bereit mehr Geld für neue Erfahrungen auszugeben, die ihnen erlauben ihren gesellschaftlichen Status zu präsentieren und das Gefühl zu haben an etwas Exklusivem, nicht für jeden Zugänglichem teilzuhaben. Auf lange Sicht senken sie mit ihrer Nachfrage die Preise der neuen Produkte und diese werden für alle zugänglich und verlieren so ihre Exklusivität.

Bild: privat
Im Interview: JONATHAN C. COOPERSMITH

ist Professor für Geschichte der Technologie an der Texas A&M University in den USA. Er hat Geschichte und Philosophie in Oxford und Princeton studiert. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Pornografie und den Kommunikationstechnologien.

Möchten sich die jungen Konsumenten dann nicht neuen, exklusiven Produkten zuwenden und setzen mit ihrer Nachfrage die Produzenten immer wieder neu unter Druck?

In stark umkämpften Märkten, wie dem der Technologiebranche, gibt es immer den Druck der ständigen Innovation. Aber auch den Druck sich von den Konkurrenten zu unterscheiden und gleichzeitig anbieten zu müssen, was auch die Konkurrenz anbietet. Natürlich sieht man auch immer wieder Nischenmärkte entstehen. Aber der eigentliche Druck, dem der Pornografiemarkt begegnet, ist der gleiche, mit dem auch andere Märkte in Zukunft zu kämpfen haben: Es geht dann auch um Urheberrechte. Wie kann eine Industrie zukünftig Informationen verkaufen, die andere umsonst weitergeben?

Aktuell sei die Pornoindustrie besonders an der Technologie von Googles „Project Glass“ interessiert, munkelt man. Informationen sollen damit ohne die Benutzung der Hände, sondern nur durch die Stimme gesteuert werden können. Das nächste große Ding?

Ich denke für die Pornoindustrie würde sich eher der Markt der haptischen Technologie anbieten.

Welche Technologie wird in zehn Jahren unseren Alltag beherrschen und welche Rolle wird die Pornografie dabei spielen?

Solange wie es neue Generationen junger Männer gibt, wird es Pornografie geben und Leute, die damit Geld verdienen möchten. Ein zukünftiges Ziel der Pornoindustrie wird die Verschmelzung von virtueller Realität und reiner Realität sein. Die Pornografie könnte zukünftig ein wichtiger Faktor sein, bei dem Versuch die Kluft zwischen Realität und Sehnsucht zu schließen.

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3 Kommentare

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  • S
    Schruppski

    Auch Polaroid-Fotografie setzte sich verstärkt im Privathaushalt durch, weil man die selbstgeknipsten Sexfotos nicht mehr zum Entwickeln weggeben musste.

  • D
    Diggler

    Uiii, was für eine neue Erkenntnis! Schon in der englischen Comedy-Serie "Coupling - wer mit wem?" (2000-2004) sagte einer der Darsteller in einer Folge zu den anwesenden Damen : "Wir haben das Internet überhaupt nur deshalb erfunden, damit wir uns Eure Ärsche besser angucken können!"

  • R
    Ralph

    Die Kluft zwischen Realität und Sehnsucht zu schließen... ja. Mit dem Ergebnis, daß Mann irgendwann nur noch schwer -- oder vielleicht auch gar nicht -- in der Lage sein wird, zwischen Realität und Virtualität zu unterscheiden.

     

    Frau wird's ihm danken, wenn sie unvermittelt von nem Typen mit halbdurchsichtiger Brille begrabscht wird.

     

    Oder wenn Mann mit besagter Brille einen halben Meter an ihr vorbeiguckt.