Pop Art: Gib mir Glamour!
Seine Portraits machten Menschen zu Ikonen. Ein neuer Warhol-Band zeigt, wer einst 25.000 Dollar hinblätterte, um sich verewigen zu lassen.
Wer war eigentlich alles bereit, 25.000 Dollar zu zahlen, um von Andy Warhol verewigt zu werden? Darüber gibt der neu erschienene Prachtband, "Andy Warhol - Portraits" Auskunft. Man trifft auf eine erstaunliche Bildergalerie. Nicht so sehr, was die Abgebildeten selbst betrifft, die erwartbare Mischung von Prominenz und Semiprominenz aus Kunst, Gesellschaft, Musik, Mode, Medien, Sport und Business sowie Freunde und Szenetypen. Sondern was den offenkundigen Aufwand angeht, den Warhol mit seinen Portraits betrieb: die intelligente Sorgfalt, mit der er das immer gleiche Schema individuell ausarbeitete.
Wie kein anderer hatte Andy Warhol die uneinholbare Leistungsfähigkeit der Fotografie für die "Verklärung des Gewöhnlichen" (wie Arthur C. Danto 1981 seine vor allem an Warhol orientierten Überlegungen zu einer "Philosophie der Kunst" betitelte) gesehen. Nur die Fotografie kann einen Menschen wirklich zur Ikone stilisieren. Ein Vermögen, das Hollywood sofort ausnutzte. Brillant erkannte Andy Warhol, dass sich das Hollywood-Still durchaus noch einmal für die Kunst ausbeuten ließ. Dabei war es sein Ehrgeiz, dass die Kunst Hollywood nicht nur standhalten, sondern darüber hinaus ganz neue Maßstäbe der Ikonisierung setzen sollte, was er mit dem standardisierten Bildschema von Siebdruckfotografie und unterschiedlichen malerischen Farbakzenten erreichte. Damit gehörten die Portraitierten einer Art Orden, zumindest aber einem klar definierten Kreis an; einem Kreis von Celebrities, in deren Selbstverständnis die Wertschätzung zeitgenössischer Kunst unübertroffener Ausdruck der Wertschätzung des zeitgenössisches Lebens war. Sie hatten ihre 25.000 Dollar in ein hippes, angesagtes Label gut investiert.
So jedenfalls sahen sie es. Und so sah es auch die Kunstwelt, die das Label-Shoppen damals freilich noch nicht so wertschätzte wie sie es heute tut. Es wäre also falsch zu sagen, die Portraits hätten in den Siebziger- und Achtzigerjahren Eindruck gemacht, falls sie nicht - wie für Warhols Gegner - gleich als Beleg seiner Korruption galten. Es war nicht die Zeit, Warhol als den beachtlichen Portraitisten wertzuschätzen, als den ihn der Phaidon-Band zeigt.
Offensichtlich unterzog sich Warhol jedes Mal der Anstrengung, die Möglichkeiten seines Gegenübers, glamourös zu erscheinen, ernsthaft auszuloten. Das wiederum verlangte von ihm, zunächst dessen Individualität aufzuspüren, um sie dann intelligent ins Ikonenhafte steigern zu können. In der Begegnung mit seinen Portraits sieht man nun, in welch überraschendem Ausmaß ihm das immer wieder gelang.
"Andy Warhol - Portraits" (Edited by Tony Shafrazi. Phaidon-Verlag London/New York/Berlin 2007, 320 Seiten, 59,95 EURO)
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