:
■ Polizisten sägen Autobahngegner aus den Bäumen
Vorsichtshalber hatte die Polizei einen Pfarrer mitgebracht. Der erlebte gestern zu unchristlicher Zeit, mit welcher Präzision das bestellte Sondereinsatzkommando die Baumhäuser der Protestler gegen die A 17 (Dresden –Prag) stürmte. Gegen fünf Uhr rückten etwa 100 Beamte an. Drei Stunden später war das Dutzend Bewohner verhaftet – der Weg für die Motorsägen frei. „Um die Bäume auf der Trasse fällen zu können, hat das Autobahnamt um Amtshilfe gebeten“, erklärte Polizeisprecher Karsten Schlinzig. Bislang nämlich kamen die Pistenbauer nicht weiter. Die Protestler hatten sich genau dort in die Wipfel eingenistet, wo sich Kräne zum Brückenbau drehen sollten. Ihr Argument: Erst die Finanzierung der A 17 klären, dann mit den Arbeiten beginnen! Nach wie vor ist nämlich unklar, woher die nötigen 1,3 Milliarden Mark kommen sollen, die die 42 Kilometer lange Strecke bis zur tschechischen Grenze kosten würde. Selbst Trassenbefürworter Kanzler Gerhard Schröder kann nicht sagen, wie die Mittel aufgebracht werden sollen. Der grüne Fraktionsvorsitzende Rezzo Schlauch hatte deshalb die Notbremse gezogen und quasi einen Baustopp verhängt. „Für alles, was jetzt weitergebaut wird, trägt der Freistaat das finanzielle Risiko“, erklärte Schlauch. Und der tschechische Umweltminister Milos Kuzvart hatte im Februar eine naturschonendere Trassenführung durchs Böhmische Mittelgebirge verlangt. Dennoch liegt im Bundesverkehrsministerium ein deutsch-tschechischer Staatsvertrag zum Bau der 500 Meter langen Grenzbrücke unterschriftsreif vor. Der bestellte Pfarrer hatte gestern nichts zu tun: Die Baumbewohner leisteten nur passiven Widerstand. Selbst der Polizeisprecher war vom „Idealismus“ seiner Gegner beeindruckt, die seit Wochen in den Bäumen ausharren. „Der Idealismus bringt bloß nichts“, ergänzte er mit dem beruhigenden Kräfteverhältnis von 10 : 1 im Rücken. Nick Reimer
Foto: Jörn Haufe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen