piwik no script img

Polizeinutzung eingeschränktDämpfer für Vorratsdatenspeicherung

Ein Gericht beschließt, dass die Polizei Telekom-Daten nur manchmal nutzen darf. Ein erneuter Sieg für die Gegner der Vorratsdatenspeicherung.

Nur zur Aufklärung von schweren Verbrechen dürfen Telefondaten herangezogen werden. Bild: dpa

FREIBURG taz Das Bundesverfassungsgericht hat die Nutzung der Vorratsdatenspeicherung weiter begrenzt. In einer Eilanordnung schränkte es am Donnerstag die Auswertung der Daten für die polizeiliche Gefahrenabwehr und den Verfassungsschutz ein. Die Richter gaben damit einem Antrag des Berliner Anwalts Meinhard Starostik statt, der rund 34.000 Bürger vertritt.

Seit Jahresbeginn müssen Telefonfirmen sechs Monate lang speichern, wer mit wem wie lange telefoniert. Mobilfunkfirmen müssen auch den Standort des Kunden beim Gespräch festhalten. Ab 2009 müssen zudem Internetfirmen speichern, wer wem E-Mails sandte und wann im Internet surfte. Inhalte werden nicht gespeichert.

Gegen diese gesetzlich vorgeschriebene Vorratsdatenspeicherung haben 34.000 Bürger Verfassungsbeschwerde eingereicht. Wann Karlsruhe darüber entscheidet, ist noch offen. Schon im März wurde aber in einem ersten Eilbeschluss die Nutzung dieser Daten für die Strafverfolgung beschränkt. Die Polizei darf sie nur zur Aufklärung schwerer Kriminalität anfordern.

Jetzt musste Karlsruhe diesen Eilbeschluss erweitern, da Bayern und Thüringen ihrer Polizei den Vorratsdatenzugriff auch zur Gefahrenabwehr erlaubten. Bayern räumte sogar dem Landesverfassungsschutz ein Nutzungsrecht ein. Die Karlsruher Richter beschränkten den Zugriff nun auf Fälle, bei denen der Staat gefährdet oder Leib, Leben und Freiheit eines Menschen bedroht sind. Zur Abwehr eines Bankraubs oder einer Volksverhetzung dürfen die Daten also nicht angefordert werden.

Die Richter begründeten ihre Eilanordnung mit dem Vertrauen der Bürger in eine unbefangene Telekommunikation. Diese müsse jedenfalls bis zur eigentlichen Entscheidung des Verfassungsgerichts geschützt werden - soweit die Daten nicht zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter benötigt werden.

Betroffen sind zunächst nur die Sicherheitsbehörden in Bayern und Thüringen, doch die Wirkung geht weiter. So wird auch die am Donnerstag in Baden-Württemberg eingeführte ähnliche Regelung nur eingeschränkt nutzbar sein - ebenso wie eine Regelung in der BKA-Novelle, die der Bundestag nächste Woche beschließen will.

Abgelehnt hat Karlsruhe aber den Antrag der Kläger, die Vorratsdatenspeicherung für Internetdaten, die ab Januar vorgeschrieben ist, erst gar nicht einzuführen. (Az.: 1 BvR 256/08)

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • FR
    Felix Röhrle

    Das kennen wir doch mit den schweren Straftaten. Bei der Polizei wird besser interpretiert als bei Deutschprofessorinnen- und Professoren. Besonders im Bezug auf Straftaten.

     

    Dass sich an solche Regeln nicht gehalten wird, sollte wohl klar sein. Welche Telekommunikationsfirma wird einen Antrag der Polizei genauer auf Richtigkeit überprüfen? Wo doch Druck von Staatsanwaltschaften kommen könnte. Oder sich die Firmen womöglich selbst straftätig machen, weil sie "polizeiliche Maßnahmen blockieren" oder "Straftaten vereiteln". Ich kann hier nur jedem Provider empfehlen Anträge der Polizei immer mit misstrauischem Blick zu begutachten.

     

    Selbst wenn Daten letzten Endes nicht verwertet werden dürfen, so kennen wir doch die Geschichten von G8-GegnerInnen aus Hamburg. Wenn das letzte Stück Privatleben in Daten und Protokolle gefasst wurde, dann wird plötzlich eine Unrechtmäßigkeit erkannt und die Überwachung abgebrochen, wo man doch jetzt aber schon alles weiß.

     

    Ich kann dieser Entscheidung des BVerGs nicht viel abgewinnen. Nur die Erkenntnis, dass auch die VerfassungsrichterInnen einen an der Waffel haben.

    Bezüglich des Verständnisses von freiheitlicher Grundordnung natürlich.

     

    Jede Entscheidung, die die Vorratsdatenspeicherung nicht zur Hölle schiesst, ist eine Entscheidung, wie sie nur in einem Überwachungsstaat fallen kann.