Polizeigewalt am 1. Mai: Beamte außer Rand und Band
Ein Video zeigt, wie ein Polizist einen friedlich dastehenden Mann mit Reizgas besprüht. Auch auf weiteren Aufnahmen sind übergriffige Beamte zu sehen.
BERLIN taz | Ob es bei der Polizei vor dem 1. Mai eine erhöhte Zahl von Krankschreibungen gebe, will ein Abgeordneter der Piraten im Innenausschuss von Polizeipräsident Klaus Kandt wissen. Nein, antwortet der: „Unsere Leute fahren gern in den Einsatz.“
Ein bei der Videoplattform YouTube aufgetauchtes Video zeigt allerdings: Es gibt Beamte, die dabei auch sadistische Neigungen ausleben. Unauffällig, so ist auf dem Video zu sehen, zückt ein Uniformierter sein Reizgasspray, dreht sich um und sprüht einem friedlich dastehenden Mann mitten ins Gesicht. Der Getroffene, der eben noch mit seiner Freundin Händchen gehalten hatte, reißt die Arme vor das schmerzverzerrte Gesicht. Ungerührt wendet sich der Beamte ab.
Die Szene, die sich am 1. Mai kurz vor Mitternacht am Kottbusser Tor abspielte, steht seit Freitag im Netz. Am Montag teilte Polizeipräsident Kandt mit, dass gegen den Beamten ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet wurde. Der stellvertretende Gruppenführer sei von seinem Hundertschaftsführer angezeigt worden.
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„Offenbar grundlos wurde eine schaulustige Person mit Reizgas besprüht“, sagte Kandt. „Sollte sich der Eindruck bestätigen, möchte ich mich in aller Form entschuldigen.“ Der Anwohner aus Kreuzberg, der den Vorfall per Video dokumentierte, sagte am Montag zur taz, er stehe als Zeuge zur Verfügung.
Das von der Polizei verwendete Reizgas, Pfefferspray genannt, besteht aus Pelargonsäure-Vanillylamid. Wer getroffen wird, kann bis zu zehn Minuten die Augen nicht öffnen, sagte ein Polizeisprecher. Auch Atemnot könne sich einstellen. Zum Einsatz kommen dürfe das Sprühgerät erst, wenn ein Beamter mit einfacher körperlicher Zwangsanwendung nicht weiterkomme.
Reizgas auch auf dem U-Bahnhof
Nach dem Ende der 1.-Mai-Demo hatte die Polizei auch auf dem überfüllten U-Bahnhof Hallesches Tor Reizgas eingesetzt, bestätigte Kandt am Montag. Er verteidigte das damit, dass Demonstranten einen stehenden, übervollen Zug 21 Mal durch das Ziehen der Notbremse am Weiterfahren gehindert hätten. Menschen seien über die Gleise gelaufen und hätten Beleuchtungen beschädigt. Bei Festnahmeversuchen seien Beamte auf dem Bahnsteig angegriffen worden.
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Auch vom Halleschen Tor gibt es Videos im Netz. Dass auf dem völlig überfüllten Bahnhof, der nur einen Aufgang hat, keine Massenpanik entstand, mutet wie ein Wunder an. Die Aufnahmen zeigen alles andere als zimperlich agierende Beamte: Ein Mann wird mit der Faust niedergestreckt, einem anderen, der filmt, wird das Handy weggedrückt. Von Abgeordneten der Linkspartei mit diesen Vorfällen konfrontiert, sagte Kandt, er kenne die Aufnahmen noch nicht.
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Von vier Positionen aus hat die Polizei bei der abendlichen Demonstration Übersichtsaufnahmen gemacht: am Lausitzer Platz, aus einem Hubschrauber, am Hermannplatz und am Endpunkt vor der SPD-Zentrale. Insgesamt wurde von 17.45 bis 21.45 Uhr gefilmt. Der Verpflichtung, das öffentlich bekannt zu machen, sei die Polizei über Twitter nachgekommen, sagte Kandt.
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