Polizeieinsatz auf iranischem Friedhof: Tränengas zur Trauerfeier
Sicherheitskräfte behindern massiv eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Proteste. Mussawi und Karrubi werden vom Grab der erschossenen Neda Agha-Soltan ferngehalten.
TEHERAN afp/ap | Die iranische Polizei ist am Donnerstag gewaltsam gegen eine Trauerfeier für ums Leben gekommene Demonstranten vorgegangen. Oppositionsführer und Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mussawi wurde von den Sicherheitskräften gezwungen, den Friedhof Behescht-i Sahra im Süden der Hauptstadt Teheran zu verlassen, wie Augenzeugen berichteten.
Mussawi gelang es nach Augenzeugenberichten nach seiner Ankunft an dem Friedhof, aus seinem Auto auszusteigen und bis zu dem Grab der Studentin Neda Agha-Soltan zu gehen, die bei den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad vor 40 Tagen erschossen wurde.
Nach wenigen Augenblicken wurde Mussawi jedoch von Polizisten umstellt und wieder in sein Auto geführt. Nachdem die Sicherheitskräfte Demonstranten vertrieben hatten, die den Wagen umringten, fuhr der Oppositionspolitiker davon.
Mussawi und der Oppositionspolitiker Mehdi Karubi wollten die Gräber der Demonstranten besuchen, die bei den Protesten gegen den Ausgang der Präsidentenwahl vom 12. Juni getötet wurden. Eine eigentlich angedachte zentrale Gedenkfeier für die Toten der Demonstrationen in der Mossalla-Moschee im Stadtzentrum hatten die Behörden verboten, obwohl nach dem Willen Mussawis und Karubis lediglich Koranverse verlesen werden sollten. Im Schiismus finden am 40. Todestag Gedenkfeiern an die Verstorbenen statt.
Vor Beginn der Veranstaltung am Donnerstag war die mit einem Großaufgebot angerückte Polizei mit Knüppeln gegen die Menschen vorgegangen, die sich an dem Friedhof versammelt hatten. Zudem wurden nach Angaben von Augenzeugen mehrere der rund 2.000 erschienenen Oppositionsanhänger festgenommen.
Nachdem Mussawi zum Verlassen des Friedhofs gezwungen wurde und die Polizei den angekommenen Karubi einkesselte, riefen seine Anhänger "Tod dem Diktator". Demonstranten warfen Steine auf die Sicherheitskräfte. Diese setzten Tränengas ein.
Bereits vor der Gedenkfeier wurden zwei prominente iranische Filmemacher festgenommen, als sie an Nedas Grab Blumen niederlegen wollten. Einer von ihnen war Dschafar Panahi, dessen Film "Der Kreis" aus dem Jahr 2000 auch in Deutschland gezeigt wurde. Er setzt sich kritisch mit der Situation von Frauen im Iran auseinander und wurde dort verboten. Zusammen mit Panahi wurde auch die Dokumentarfilmerin Mahnas Mohammadi festgenommen.
Der frühere iranische Präsident Mohammed Chatami warf den Justizbehörden "Verbrechen" gegen inhaftierte Regierungsgegner vor. Die Schließung eines Gefängnisses sei nicht wegen mangelnder Hygiene angeordnet worden, erklärte der reformorientierte Politiker am Donnerstag auf seiner Internetseite. "Nein. Es wurden Verbrechen begangen. Menschenleben gingen verloren", fügte er hinzu.
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