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Polizeicomputer im Dienste von BASF

■ 'Spiegel‘ berichtet über Datenabgleich zwischen Polizeibehörde und dem Ludwigshafener Chemiekonzern/ Monatlich bis zu 300 personenbezogene Informationen abgefragt/ Staatsanwaltschaft ermittelt bereits

Ludwigshafen (dpa/ap/taz) — Der Chemiekonzern BASF und Ludwigshafener Polizeibeamte sind offenbar in einem der größten Datenschutzskandale in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verwickelt.

Die zuständige Staatsanwaltschaft in Frankenthal ermittelt inzwischen gegen mehrere Beamte im Ludwigshafener Polizeipräsidium wegen des Verdachts, jahrelang personenbezogene Computerdaten an den Chemiegiganten illegal weitergeleitet zu haben. Zwei Verdächtige sollen nach Angaben des rheinland- pfälzischen Innenministeriums vorläufig an andere Arbeitsplätze versetzt worden sein. Gleichzeitig seien gegen sie dienstordnungsrechtliche Schritte eingeleitet worden. Ein Beamter hat, wie der 'Spiegel‘ heute berichtet, die Weitergabe von Daten aus dem Polizeicomputer bereits zugegeben.

Aufgedeckt wurde die Affäre durch Berichte eines heute als Privatdetektiv arbeitenden ehemaligen Polizisten, die das Hamburger Nachrichtenmagazin nun veröffentlicht hat. Danach hat der Werkschutz von BASF mindestens seit 1971 bis zu 300 Karteikarten monatlich mit Personendaten von Konzernmitarbeitern, aber auch Beschäftigten von Fremdfirmen im Kripo-Computer überprüfen lassen. In einem internen Ermittlungsbericht der Ludwigshafener Polizei heißt es dem Blatt zufolge, diese Daten seien „einer kompletten ,Polis‘-Abfrage unterzogen“ worden. Im polizeilichen Informationssystem „Polis“ sind neben Vorstrafen auch Haftbefehle, Verdachtsmomente und Personenbeschreibungen gespeichert. Über solche Daten verfüge nicht einmal die Staatsanwaltschaft, hieß es. Der 'Spiegel‘ berichtet weiter, daß nach Angaben des Privatdetektivs Polizeidaten illegal an das Unternehmen weitergegeben worden seien.

Gestern wollte der Leiter des Ministerbüros im Mainzer Innenministerium, Harald Wolters, den Datentransfer zwar noch nicht bestätigen, gleichzeitig teilte er aber mit, der seit Dezember 1991 verantwortliche Polizeipräsident Bertold Wagner habe die Vorgänge (Wolters: „Unkorrektheiten“) Anfang Februar bemerkt und abgestellt. Der 'Spiegel‘ bezieht sich auch auf einen internen Polizeibericht, aus dem ebenso hervorgehe, daß „regelmäßig vo der BASF übergebene Listen mit Personendaten im wesentlichen im Zusammenhang mit Neueinstellungen abgeklärt“ und „die Ergebnisse zurückgemeldet“ worden seien.

Die BASF reagierte auf die Veröffentlichung am Wochenende mit Dementis und Eingeständnissen. Daß man bis zu 8.000 Karteikarten jährlich von der Polizei abgleichen ließ, bestätigte Konzernsprecherin Monika Heinz. Nur habe es sich entgegen dem Bericht im 'Spiegel‘ nicht um BASF-Mitarbeiter, sondern lediglich um Beschäftigte von beauftragten Fremdfirmen gehandelt. Eine Rückmeldung aus der Ludwigshafener Polizeibehörde habe es aber, so der Konzernsprecher Erdwig Meyer, nicht gegeben. Die Daten, die außer den Namen der Betroffenen auch Angaben über deren Geburtstag und Wohnort enthielten, sollten ausschließlich zum Schutz des Konzerns ausgeschnüffelt werden. Heinz: „Wir müssen uns davor schützen, daß Kriminelle ins Werk kommen.“ Nach Angaben des Mainzer Innenministeriums geht die Anzahl der beantragten Polizeihilfe allerdings weit über die nach dem Polizeiverwaltungsgesetz erlaubte Überprüfung für Einstellungen in besonders sensitiven Wirtschaftsbereichen hinaus.

Wie der im 'Spiegel‘ zitierte Privatdetektiv weiter angegeben hat, soll in Ludwigshafen ein hochrangiger Kriminalbeamter auch für Personen aus seinem Bekanntenkreis Abklärungen durchführen lassen. Ministerialbüroleiter Wolters schloß am Wochenende nicht aus, daß der jetzt aufgedeckte Datenabgleich auf der „Kollegenschiene“ gelaufen sein könnte. Möglicherweise seien frühere Polizeibeamte heute beim BASF-Werkschutz beschäftigt.

Das Mainzer Innenministerium hat die Affäre zum Anlaß genommen, in einem Rundschreiben seine Beamten an die rechtlichen Datenschutzbestimmungen zu erinnern, die „nicht als Behinderung empfunden“ werden dürften.

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