: Polizei zweifelt
■ Brandsätze gegen Ex-Vorständler der "Gedenkbibliothek": Polizei sieht keinen Zusammenhang zwischen den Bränden
Die einen sprechen von „Terrorakten“, die anderen von „reinen Spekulationen“. Während der Vorstand der „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus“ von gezielten Brandanschlägen gegen die ehemaligen Vorstandsmitglieder Siegmar Faust und Ursula Popiolek spricht, kann die Polizei das nicht bestätigen. „Wenn man unterstellt, daß die Anschläge gegen Popiolek und Faust gerichtet waren“, so eine Polizeisprecherin gestern zur taz, „war das sehr laienhaft“. Denn in beiden Fällen waren andere Personen die Geschädigten. Weder Popiolek noch Faust haben Anzeige erstattet.
Die Leiterin der „Gedenkbibliothek“, Popiolek, und der ehemalige Vizepräsident des „Dokumentationszentrums für die Aufklärung von SED-Verbrechen“, Faust, waren aus dem Vorstand entlassen worden, weil sie sich für die Entschädigung der ehemaligen KZ-Aufseherin Margot Pietzner eingesetzt hatten (s. taz vom 1. und 10. 12. 1994). Von den 64.350 Mark Entschädigung hatte Pietzner 7.000 Mark Faust und 15.000 Mark der Familie Popiolek geschenkt.
Nach Polizeiangaben war vor vier Wochen bei einem Brand im Wohnhaus von Siegmar Faust in Prenzlauer Berg das Fahrrad eines anderen Bewohners des vierstöckigen Gebäudes angezündet worden. Der Vorstand der Gedenkbibliothek erweckte den Eindruck, Fausts Briefkasten sei angezündet worden. Bei dem Auto, das am Freitag auf dem Grundstück der Familie Popiolek in Hellersdorf angezündet wurde, handelt es sich nach Polizeiangaben um den Wagen des Vaters von Ursula Popiolek, der im gleichen Haus wohnt.
Einen technischen Defekt schließt die Polizei derzeit aus. Von einem Zusammenhang zwischen den beiden Bränden gehe man jedoch nicht aus, so die Polizeisprecherin weiter. Es laufen aber Ermittlungen wegen vorsätzlicher Brandlegung. In einem bei bei der taz eingegangenen Bekennerschreiben heißt es: „Wir haben in einer antifaschistischen Aktion einen Brandsatz unter das Auto von Frau Popiolek gelegt.“
Der Vorsitzende der „Gedenkbibliothek“, Wolfgang Templin, geht deshalb weiterhin von „gezielten Anschlägen“ gegen Popiolek und Faust aus. Die Einschätzung der Polizei, daß es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Brandanschlägen gebe, sei „schlicht unsinnig“.
Die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley kritisierte gestern die „fehlende öffentliche Aufklärung“ des Entschädigungsfalls durch den Vorstand. „Das ist eine andere Art der Gewalt“, sagte sie zur taz. Ihrer Meinung nach hätte die „Gedenkbibliothek“ bis zur Klärung geschlossen werden müssen. wahn
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