Polizei sperrt am 1. Mai Schanzenviertel: Skandal im Sperrbezirk

Die Hamburger Polizei hat das Schanzenviertel zum "Gefahrengebiet" erklärt und keine Besucher in den Bereich um die Rote Flora gelassen. Randale gab es trotzdem, nur nicht ganz so schlimm wie in den Vorjahren.

Sperrbezirk: Hamburgs Schanzenviertel. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Wirt des "Olympischen Feuer" ist am späten Abend des 1. Mai überrascht, als doch noch Gäste sein Lokal betreten. "Haben sie Euch durchgelassen?", fragt der Gastronom erstaunt, der seit 30 Jahren ein griechisches Restaurant auf dem Schulterblatt im Hamburger Schanzenviertel betreibt.

Die Polizeisperre sei aufgehoben worden, wird ihm erläutert. "Nachts um halb zwölf?", fragt er, "Das is ja geil." Nur wenige Gäste hatte er an diesem Tag gehabt. Anders als am Vortag, an dem durch massive Personenkontrollen vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund von der Polizei durch Kontrollen, Gefährderansprachen und Platzverweisen der Region ferngehalten wurden, ist an diesem Abend die Schanze nahezu komplett gesperrt worden.

Viereinhalb Stunden riegelte die Polizei am 1. Mai-Abend mit einen Großaufgebot den Bereich rund um das autonome Stadteilzentrum Rote Flora durch Polizisten in Kampfmontur und Wasserwerfer hermetisch ab. Die Piazza war nahezu menschenleer, lediglich vereinzelte Personen liefen durchs Viertel - es war still wie abends seit Tagen nicht mehr.

Anfangs schien es, dass das Polizei-Aufgebot der Revolutionären 1. Mai-Demonstration galt, die mit 2100 Teilnehmern an der Schanze vorbeiziehen wollte. Doch der Demozug war ohnehin von mehreren hundert Polizisten eng begleitet worden.

Die Polizei zeichnet ein positives Bild vom 1. Mai-Wochenende. Die "befürchteten" Krawalle seien durch das Polizeikonzept erfolgreich verhindert worden. Doch Erfolg ist relativ:

42 Festnahmen und 28 Ingewahrsamnahmen gab es laut Polizei allein am 1. Mai aufgrund von Krawallen, bei denen auch Wasserwerfer und Polizisten mit Hunden eingesetzt wurden. Insgesamt waren 2.000 Polizisten im Einsatz.

160 Aufenthaltsverbote sind ausgesprochen worden. GAL-Innenpolitikerin Antje Möller geht von höheren Zahlen aus und verlangt in einer kleinen Anfrage Auskunft vom Senat.

Und als sich die Demonstration vorzeitig auflösen wollte, zog die Polizei sofort einige Beamte ab, um ihre Kräfte auf die Zugänge zum "Sperrgebiet Schanze" zu konzentrieren. Niemand kam durch, außer er konnte sich als Anwohner ausweisen.

Die Folge der Sperrung: In der Schanzenstraße sammelten sich verärgerte Menschen, Flaschen flogen - die Polizei löste den Auflauf mit Wasserwerfern auf. Flüchtende wurden von Polizisten - zum Teil mit Hunden - gejagt.

Basis der Maßnahmen ist das vom CDU-Senat verschärfte Polizeigesetz aus dem Jahr 2005. Es enthält die Möglichkeit "Gefahrengebiete" auszurufen. Die Innenbehörde hatte dies vorige Woche für die Schanze für den 30. April und den 1. Mai getan. Damit wollte sie angeblich Krawalle verhindern, wie sie in den Vorjahren am 1. Mai immer wieder stattgefunden hatten.

Zwischen 19 Uhr und fünf Uhr morgens war die Polizei im Gefahrengebiet befugt, ohne Verdacht Personen anzuhalten, die Personalien zu überprüfen, mitgeführte Taschen zu kontrollieren, Platzverweise und Aufenthaltsverbote auszusprechen. "Durch Platzverweise sind Teenager aus dem Viertel mit Hausarresten belegt worden", sagt Anwalt Carsten Gericke.

"Das Konstrukt des Gefahrengebiets schafft faktisch ein Notstands- und Ausnahmerecht", sagt der Verwaltungsrechtler. Eigentlich müsse eine Person als "Störer" definiert werden können. "In diesem Bereich entscheide die Polizei allein und willkürlich, wer ein "Störer" ist - "Rechtsstaatlichkeit light", sagt Gericke.

"Das Gesamtkonzept für beide Tage insbesondere die Einrichtung des Gefahrengebietes zeigte die gewünschte Wirkung und verhinderte befürchtete Ausschreitungen", zieht hingegen Polizeisprecher Holger Vehren eine positive Bilanz.

So positiv sieht es die innenpolitische Sprecherin der GAL, Antje Möller, nicht und kündigte an, das Thema Gefahrengebiete auf die Tagesordnung der Innenausschuss-Sitzung der Bürgschaft zu setzten. "Die Verhältnismäßigkeit dieses Instruments muss überprüft werden, das ist ganz klar", sagt Möller. Auch sei zu klären, warum diese Maßnahme an beiden Tagen unterschiedlich umgesetzt worden ist.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christiane Schneider, hat grundsätzliche Bedenken: "Vordergründig sieht es so aus, als wäre das Polizeikonzept aufgegangen, dabei sind aber die Grundrechte auf der Strecke geblieben", beklagt Schneider. "Das ist nicht akzeptabel."

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