Polizei in sozialen Netzwerken: Facebook-Freunde helfen beim Fahnden
Die Polizei Hannover hat dieses Jahr acht Verbrechen durch Tipps bei Facebook aufgeklärt. Sie betrachtet ihren Auftritt im sozialen Netzwerk als Erfolg.
BERLIN taz | Mehrere Polizeibehörden experimentieren mit Fahndungsaufrufen per Facebook – teils mit enormer Reichweite. Etwa in Hannover: Ein Unbekannter sticht eine 20-jährige Studentin auf der Straße in der Nähe des Hauptbahnhofs nieder, sie stirbt im Krankenaus.
Die Mordkommission braucht Hinweise – und veröffentlicht drei Tage später einen Aufruf auf ihrer Facebook-Seite: Wer etwa mit der getöteten Studentin gechattet habe, solle sich bitte telefonisch melden.
Nutzer in dem sozialen Netz verbreiten den Aufruf weiter – über 58.000 Mal bis zum heutigen Tag. Über 500 Hinweise landen bei der Polizei, viele aufgrund des Facebook-Aufrufs. "Das sind mehr Hinweise, als wir früher bekommen haben in vergleichbaren Fällen", sagt Polizeisprecher Heiko Steiner.
Aufgeklärt ist das Verbrechen bisher allerdings noch nicht. "Wir stellen Fahndungsaufrufe bei Facebook ein, wenn die Delikte vor allem eine jüngere Zielgruppe betreffen, im Computerbereich spielen oder herausragend sind", sagt Steiner.
Facebook-Auftritt auf Probe
Die Polizei Hannover ist seit März mit einer eigenen Seite bei Facebook vertreten – erst mal nur zur Probe. Im neuen Jahr entscheidet das niedersächsische Innenministerium, wie es weitergeht. Die Beamten werben auf ihrer Facebook-Seite auch um Nachwuchs oder bieten auch mal Chats mit dem Polizeipräsidenten an.
Über 80.000 Nutzern "gefällt" die Seite, wie es in der Facebook-Sprache heißt. Die meisten von ihnen sehen die Nachrichten der Polizei auf ihrer Facebook-Startseite – Tausende verbreiten sie weiter. Acht geklärte Fälle schreibt die Polizei Hannover Tippgebern von Facebook zu.
Die Ermittler in Hannover sind nicht die einzigen deutschen Polizisten, die bei Facebook vertreten sind. Das BKA etwa bittet um Hinweise zu den Rechtsterroristen auf seiner Facebookseite, die Kriminalpolizei Bremerhaven, das LKA Mecklenburg-Vorpommern und auch die Polizeiinspektion im niedersächsischen Landkreis Harburg verbreiten Aufrufe über Facebook.
Niedersachsens Landesdatenschutzbeauftragter gilt als Skeptiker, was die Polizeiarbeit bei Facebook angeht. Sein Kritikpunkt: Der Server von Facebook sei in den USA. Er vermisst eine Rechtsgrundlage, um die Daten dorthin zu übertragen. Das Innenministerium will ihn hierzu im Januar hören.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier