: Polizei: Die schießen nur in die Luft
■ Straßenbahner: Polizei hat keine Anweisung zum Räumen der Bushaltestelle gegeben
Was macht ein amtierender Polizeipräsident, wenn er der Ansicht ist, daß Geiselnehmer Bremen wieder verlassen haben? Er denkt: „Der Kelch ist an Bremen vorbei gegangen“, packt seine Sachen und verläßt das Lagezentrum. Vier Stunden lang hört er weder Radio, noch sieht er fern, wird von seinen Kollegen nicht informiert, und so kommt er erst um 21.00 ins Lagezentrum zurück. So stellte gestern der als Diekmann -Vertreter amtierende Polizeipräsident Hartwig Gaus sein Verhalten während der Geiselnahme am 17.8.1988 dar.
Der Kelch wird an mir vorbeigehen, mag auch der Busfahrer Wolfgang Schweickart gedacht haben, der gestern wie vier weitere Mitarbeiter der Bremer Straßenbahn AG vor dem Untersuchungsausschuß Geiselnahme auszusagen hatte. „Laß die mal da hinten machen. Ich krieg gleich 'ne Anweisung und dann hat sich das,“ hatte der Fahrer des später gekaperten Linienbusses gedacht, als er auf die Geiselnehmer aufmerksam geworden war. Die waren zu dem Zeitpunkt etwa hundert Meter vom Bus entfernt. Eine Anweisung aber kam nicht. Ein hinter ihm stehender Bus fuhr dennoch los, direkt an den Geiselnehmern vorbei. „Wenn der lebensmüde ist, laß ihn durchsausen, ich bleib hier stehen“, so Schweikart. Zumal zu diesem Zeitpunkt auch ein weißer Audi mit zwei Polizisten in der Nähe stand. Jedoch die Polizisten verschwanden, und die Geiselnehmer kamen.
Warum gab die Funkleitstelle der BSAG dem Mann nicht lange zuvor die Anweisung, ohne Rücksicht auf seine normale Route abzufahren? Die Funkleitzentrale hatte schlicht keine Ahnung, wie gefährlich die Situation in Huckelriede war. Zwar war den beiden Sprechern von BSAG'lern vor Ort bekanntgeworden, daß in der Busanlage ein BMW mit zwei bewaffneten Männern stand, zweimaliges Anrufen bei der Polizei brachte jedoch keine Klarheit: „Es ist immer so getan worden, als hätte man die Lage voll im Griff,“ so der BSAG-Verkehrsmeister Hansbar. Und als er dann um 18.50 noch einmal anrief und berichtet in Huckelriede werde geschossen, habe man ihm gesagt: „Ach was. Da ist ja nur in die Luft geschossen worden.“ Dringende Warnhinweise und Räumungsaufforderungen, wie sie die Polizei gegeben haben will, erinnert Hansbar nicht: „Es gab keinerlei Anweisungen.“
Um sich ein klareres Bild von der Lage machen zu können, schickte die BSAG einen Verkehrsmeister nach Huckelriede, der selbständig entscheiden sollte, ob und wie geräumt werden sollte. Als der Verkehrsmeister dem 53-Bus eine entsprechende Anweisung gab, kamen die Geiselnehmer mit gezückter Pistole auf den Bus zu.
hbk
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