Politologe über Bundeswehr-Universitäten: „Wir waren positiv überrascht“
Rechte sind an Bundeswehr-Unis nicht zahlreicher als unter Abiturienten. Das fand Rüdiger Fiebig in einer Befragung für das Verteidigungsministerium heraus.
taz: Herr Fiebig, was genau haben Sie bei der Bundeswehr untersucht?
Rüdiger Fiebig: Wir haben Ende 2007 eine Befragung unter den Studenten der beiden Bundeswehruniversitäten durchgeführt. Dabei ging es um Punkte wie die Einstellung zum Soldatenberuf und die Zufriedenheit mit dem Studium. Weil es in den Jahren zuvor mehrfach rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr gab, vereinzelt auch an den Universitäten, wollte das Verteidigungsministerium, dass wir zusätzlich die politischen Haltungen der Studenten erheben.
Mit welchem Ergebnis?
Wir wollten nicht das klassische Klischee vom harten Rechtsextremismus mit Glatze und Springerstiefeln abfragen, sondern haben uns am damals noch relativ neuen Konzept der „Neuen Rechten“ orientiert – rechtspopulistische Einstellungen also, die vorgeben, einen intellektuellen Unterbau zu haben. Letztlich haben wir festgestellt, dass 13 Prozent der Befragten diesen Einstellungen nahe stehen.
Ist das viel?
Um das einzuschätzen, haben wir eine Vergleichsgruppe herangezogen: junge Abiturienten in der Gesamtbevölkerung. In dieser Gruppe war die Zustimmung zu Einstellungen der Neuen Rechten etwas größer. Es gibt diese Problematik also möglicherweise auch in der Bundeswehr, aber nicht in größeren Umfang als in der Gesamtbevölkerung.
ist Diplom-Politikwissenschaftler. Von 2007 bis 2012 arbeitete er am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr.
Das ist überraschend. Uniform, Waffen, Vaterland – das müsste die Rechten doch eigentlich anziehen.
Wir waren damals auch eher positiv überrascht und hatten den Eindruck, dass sich die Bundeswehr mit diesen Erkenntnissen nicht verstecken muss. Vielleicht hat das Ergebnis damit zu tun, dass die Bundeswehr traditionell viel Wert auf politische Bildung legt und das wiederum Einfluss auf die Einstellungen der Soldaten hat. Was wir durchaus herausgefunden haben: Viel stärker als in der Gesamtbevölkerung war unter den Befragten ein ausgeprägtes liberal-konservatives Einstellungsmilieu verbreitet.
An den Bundeswehr-Unis gibt es also mehr CDU-Wähler als an zivilen Hochschulen?
Ja. Es wäre, glaube ich, auch absurd, davon auszugehen, dass in der Bundeswehr zum Beispiel genauso viele Menschen den Grünen nahestehen wie in der Gesamtbevölkerung.
2007 haben Sie auch danach gefragt, ob die Studenten Fehlverhalten Ihrer Kommilitonen an die Vorgesetzten melden würden – mit welchem Ergebnis?
Rechts- oder linksextreme Vorfälle mit strafrechtlicher Relevanz würden zwei Drittel der Befragten an höhere Stellen melden. Bei Fällen, die nicht strafrechtlich relevant sind, war die Quote geringer.
So wie im Fall des Offiziers Franco A., der jetzt unter Terrorverdacht steht und dessen völkische Masterarbeit nicht nach oben gemeldet wurde.
Vielleicht würde es helfen, im Bereich der politischen Bildung unter den jungen Soldaten das Problembewusstsein für solche Fälle auszubauen. Aber ich habe keine Einblicke in den Fall und möchte nicht spekulieren.
Seit Ihrer Befragung hat sich die Bundeswehr verändert, unter anderem wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Haben Ihre Ergebnisse noch Bestand?
Aus unserer Forschung damals wissen wir, dass die Bundeswehr aus den Reihen der Wehrpflichtigen stark rekrutiert hatte. Da sind natürlich viele Soldaten geworden, die sich das in der reinen Berufsarmee nicht hätten vorstellen können. Es bringt aber nichts, über die Entwicklungen zu mutmaßen. Wichtiger wäre es, diese Themen weiter im Auge zu behalten, durchaus auch durch weitere Studien.
Welche Reaktionen gab es 2007 in der Bundeswehr auf Ihre Studie?
Die Leitungen der Universitäten haben das sehr positiv aufgenommen und wollten auch im Bereich der politischen Bildung nachsteuern. Das Ministerium hat die Studie dagegen zunächst als internes Gutachten eingestuft und sie erst veröffentlicht, als der Wehrbeauftragte sie zwei Jahre später im Jahresbericht thematisierte.
Warum war das Ministerium so zurückhaltend?
Auch darüber könnte ich nur spekulieren. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Bundeswehr zu vielen Themen wie dem aktuellen Vorfall bereits eine breite Basis an Daten und Erkenntnissen hat. Sie leistet sich zu diesem Zweck ja auch ein eigenes Institut, das zu diesen Themen forscht. Wichtig wäre dann eben die Frage, ob diese Erkenntnisse tatsächlich auch gelesen werden und ob daraus die richtigen Schlüsse und Maßnahmen abgeleitet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren