: Politischer Mord aus Eifersucht
■ er jugoslawische Bürgerkrieg, pianobegleitet: Frank Castorfs große Inszenierung von Jean Paul Sartres Schmutzige Hände als Gastspiel im Schauspielhaus
Am 25. und 26. März zeigt das Deutsche Schauspielhaus Frank Castorfs Inszenierung von Jean Paul Sartres Schmutzige Hände – eine der herausragenden Produktionen der Berliner Volksbühne in den vergangenen Jahren. Im Frühjahr 1998 war Premiere, aber sie ist immer noch so frisch wie am ersten Tag. Und Sartres 1948 entstandenes Stück erst recht. Da bekommt in einem fiktiven jugoslawischen Staat ein kommunistischer Revolutionär den Auftrag, einen hohen Funktionär zu liquidieren, der abweicht von der Linie der Partei. Hugo, so heißt der Killer in spe, trifft bald sein Opfer Hoederer. Man lernt sich kennen, mag sich sogar. Doch leider mag Hoederer auch Hugos Frau. Deswegen erschießt Hugo ihn am Schluss – und nicht weil die Partei den Auftrag gab.
Schauspielhaus-Chef Baumbauer hat ja durchaus seinen Platz im Gründungsmythos der Volksbühne. Vor zehn Jahren, als er noch Intendant am Theater Basel war, begegneten sich dort Castorf und Matthias Lilienthal, der dann sein Chefdramaturg in Berlin wurde. Von hier nahmen sie auch Christoph Marthaler mit, den damals keiner kannte. Inzwischen ist das längst Legende, und wer weiß, ob es nicht bald zu Ende ist. Viele aus dem alten Leitungsteam der Volksbühne sind weg, die letzten gehen zum Ende der Spielzeit. Und auch Castorf droht, den Kram hinzuschmeißen, falls der Senat der Volksbühne den Geldhahn weiter zudreht. Baumbauer zieht nach München. Und wer weiß, wann es in Hamburg (nach Vaterland, Uraufführung am 20. April) wieder eine Castorf-Inszenierung zu sehen gibt.
Schmutzige Hände bietet hinreißend sinnliches und großes politisches Theater. Ein unglaubliches Bühnenbild: Hartmut Meyers gigantische weiße Schräge, deren einziges Requisit ein schwarz glänzender Flügel ist. Pianospielend und im Frack gibt der Parteisekretär (Sir Henry) einen politischen Mord in Auftrag, und aus dem Schmelz seiner Musik steigt die Tragödie des jugoslawischen Bürgerkriegs herauf – und die Ohnmacht, hinter den Bildern, die die Medien von diesem Krieg und seinen Protagonisten erzeugen, überhaupt noch so etwas wie Wahrheit erkennen zu können.
Castorf läßt Sartres Stück ganz bei sich selbst, zertrümmert nichts, lässt die Figuren reden: den Revolutionär Hugo, den Matthias Matschke spielt, Kathrin Angerers Jessica und vor allem Henry Hübchens Hoederer, sympathischer Lebemann und Kriegsverbrecher in Personalunion. Die Handlung wird manchmal aufgesprengt, ins Ironische oder Tragische gezogen. Fast beiläufig mischen sich darin Filmzitate, Berichte von Greueln in Bosnien oder schwerblütige Gedichte von Radovan Karadzic. Und ganz nebenbei hat Castorf einen fast schon verstaubten Theaterautor fürs Gegenwartstheater wiederentdeckt.
Esther Slevogt
Sa, 25., 20 Uhr, und So, 26. März, 19 Uhr, Schauspielhaus
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