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Politischer DeutschrapDer Abgrund der Polizeigewalt

PTK rappt gegen Polizeigewalt. Sein neues Albumcover zeigt ein Ölbild – und das wird nun versteigert. Der Erlös geht an die Initiative Oury Jalloh.

Ölbild mit Graffiti – es soll Spenden für die Initiative Oury Jalloh einbringen Foto: Nils Ben Brahim

Ölmalerei und Deutschrap: Auf dem Cover von PTKs neuem Album „Kreuzberg & Gomorrha“ wächst zusammen, was auf den ersten Blick gar nicht zusammengehört. Zu sehen ist, was die Kunstwissenschaft ein „Mise en abyme“ nennt: ein Bild im Bild.

Das Albumcover zeigt ein Foto des Anti-Gentrifizierungs-Rappers in einer halb abgerissenen Wohnung. „Draußen“ sieht man Kreuzbergs Lichter und ein Graffiti des Sprayers Ikarus: „Gegen Bonzen“. Denselben Schriftzug hat Ikarus auf einem Ölgemälde des Malers Nils Ben Brahim wiederholt, das „drinnen“ an der Wand hängt. Auf diesem Gemälde auch ein zweites Mal zu sehen: PTK in seiner schwarzen Kapuzenjacke. Dahinter: prügelnde Po­li­zis­t*in­nen in einem brennenden Sodom-Kreuzberg.

Alles weit hergeholt und ganz schön kompliziert? Allerdings! Die „Mise en abyme“, häufig vorkommend in den „Vanitas“-Darstellungen des 16./17. Jahrhunderts, stürzt ihre Be­trach­te­r*in­nen in einen Abgrund (franz.: l’abime), sie will die Vorstellungskraft herausfordern. Abgründe sichtbar machen und seine Hö­re­r*in­nen herausfordern, das ist auch PTKs Programm.

Auch im Video taucht ein „Bild im Bild“ auf

„Vanitas“-Motive finden sich schon in seinem Video zu „Ungerächte Welt“ (2017), in dem ebenfalls ein Bild im Bild von Rembrandt auftaucht. Außerdem: Totenschädel, Uhren, faulendes Obst, Asche. Auch schon da ist die Beschäftigung mit rassistischen Polizeimorden. Das führt er im neuen Projekt weiter.

„Oury Jalloh das war Mord“, hat der ebenfalls beteiligte Straßenkünstler SOZI36 dementsprechend auf das Original des „Kreuzberg & Gomorrha“-Ölbilds geschrieben. Das Bild wurde extra für PTKs Cover gemalt – und ab Donnerstag steht es zur Versteigerung. Der Erlös geht an die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. „Echte Kunst muss die Straße sehen können – und die beste Kunst muss was bewegen“, rappt PTK in einem Promovideo vor dem Gemälde.

Guter Zweck also oder doch eher PR-Aktion für die vier beteiligten Künstler? Wohl beides: Aber arme Künstler, Vanitas und echter Widerstand – was könnte mehr Kreuzberg sein.

Übrigens: Sollte PTK mit dem Sodom-Kreuzberg-Vergleich wieder eine homofeindliche Anspielung versucht haben, hat er sich geschnitten: Längst ist ja nachgewiesen, dass das biblische Sodom nicht wegen einvernehmlichem schwulem Sex in Flammen aufging, sondern weil die Sodomiten das Gastrecht missachtet haben. Gehen wir also davon aus, dass der Antiturista-Rapper, der kulturgeschichtliche Referenzen ja präzise einzusetzen weiß, Letzteres gemeint hat.

Versteigerung bis zum 7. Februar auf initiativeouryjalloh.wordpress.com

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