Politischer Aschermittwoch bei der CSU: Der müde Horst
CSU-Chef Horst Seehofer schwächelt beim Politischen Aschermittwoch in Passau. Vor seiner Rede wird er von Ärzten, Milchbauern und Raucheraktivisten angefeindet.
Auf der anderen Straßenseite rebellieren die Stammwähler. Die Ärzte sind da, die Milchbauern, Bürger aus der CSU-Hochburg Freising und der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur. Sie haben Trillerpfeifen dabei und große Transparente. "Wir Bauern müssen euch nicht wählen", steht auf einem. Das ist eine echte Drohung.
Denn was passiert, wenn die enttäuschten Anhänger Ernst machen, erlebte die CSU bei der bayerischen Landtagswahl im vergangenen Herbst. Die sonst so unionstreuen Bauern wählten zu Tausenden die Freien Wähler. Erboste Raucher wechselten zur FDP. Und die Grünen erzielten Traumergebnisse, weil die CSU gegen den Willen der Anwohner den Münchner Flughafen ausbauen wollte. Die CSU verlor die absolute Mehrheit in Bayern und kämpft seitdem um ihr Überleben als Volkspartei. Als am Morgen der harte Kern der CSU-Fans zum Politischen Aschermittwoch zu Tausenden in die Dreiländerhalle im Passauer Industriegebiet strömt, geht es um mehr als die traditionelle, plumpe CSU-Kraftmeierei. Will die völlig verunsicherte Partei bei den anstehenden Europa- und Bundestagswahlen kein Debakel erleben, braucht sie ganz dringend neues Selbstvertrauen. "Die CSU ist wieder da", jubelt Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer, als er die Bühne betritt, vor ihm die johlende Basis, neben ihm der Schemel mit dem Maßkrug. Bei seinem Amtsantritt hat Seehofer einen neuen Stil versprochen. In Partei und Land sollte es unter ihm offener und bürgernäher zugehen als unter seinen Vorgängern. An diesem Mittwoch hat sich Seehofer statt seines üblichen Anzugs eine Trachtenjacke angezogen. Das soll volkstümlich wirken. Es erinnert aber optisch auch ein bisschen an Edmund Stoiber. Besonders bürgernah ging es unter dem nicht zu.
An der Politik habe sich wenig geändert, seit Horst Seehofer Ministerpräsident ist, meint Hartmut Binner aus Freising. Jahrelang hat er CSU gewählt, jetzt steht er mit seiner Trillerpfeife vor der Halle im Schnee und kämpft mit seiner Bürgerinitiative gegen den Ausbau des Münchner Flughafens. "Aus unserer Sicht hat sich die Situation unter Seehofer fast verschlimmert", meint Binner. Die Behörden würden jetzt noch schroffer auf die Beschwerden der Bürger reagieren. Von einem neuen Stil sei nichts zu spüren, meint wenige Meter weiter Romuald Schaber, der Präsident des Bundesverbands deutscher Milchviehhalter. "Wir merken nur, dass der Milchpreis immer weiter fällt", sagt er. Wenn die Politik nichts unternehme, stehe für viele Bauern die Existenz auf dem Spiel.
Drinnen in der Halle drängen sich die CSU-Fans schon auf den Gängen. Die Neugier auf den neuen Parteichef hat mehr Anhänger nach Passau getrieben als in den vergangenen Jahren. Bisher kenne er Seehofer nur aus dem Fernsehen, sagt Hans Stelljes, ein CDUler mit rosigen Backen und einem schwarz-rot-goldenen Schaal um den Hals, der extra aus Worpswede in Niedersachsen angereist ist. Er finde Seehofer "drollig", sagt er. Er finde es schade, dass Gabriele Pauli nicht mehr bei der CSU sei, meint Stelljes. "Die ist schon ein rassiges Weibsbild." Doch Pauli macht nun bei den Freien Wählern Karriere. Im Foyer der Halle gibt es an einem Stand DVDs mit den kernigsten Reden von Franz Josef Strauß zu kaufen, für 14,50 Euro. "Deutlich, deftig und direkt", verspricht das Cover. Wenige Meter weiter steht der neue Parteichef und wäre auch gerne deftig und direkt. Aber Seehofer ist angeschlagen. Noch am Vortag sei er mit Grippe im Bett gelegen, erzählt Seehofer. Er sieht bleich aus, seine Bewegungen sind langsam. In seiner Rede hüpft er planlos von Thema zu Thema. Mal geht es um Bildung, wenige Sätze später um den Papst, Sekunden darauf schon um die Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen. Da sei er strikt dagegen, erklärt Seehofer. "Wir sind doch nicht das Sozialamt für die ganze Welt hier in Bayern." Seehofer attackiert in seiner Rede die eigenen Parteifreunde genauso heftig wie die politischen Gegner. Der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber, sei als "echter Schwabe" auch "geizig", meint Seehofer. Den Ex-CSU-Chef Erwin Huber nennt er einen "Parteisoldaten". Eine Rede des neuen Generalsekretärs Alexander Dobrindt kündigt er flapsig mit den Worten an: "Jetzt soll er mal ein paar Minuten arbeiten, wenigstens einmal in der Woche." Und meint, er habe manchmal den Eindruck, dass er mit der Berufung so vieler junger Politiker sein eigenes Grab geschaufelt habe. Als Seehofer traditionsbewusst die Namen großer CSU-Politiker aufzählt, lässt er den von Edmund Stoiber als einzigen aus.
Ganz nah an der Bühne, dort wo die Fernsehteams und Fotografen stehen, haben sich Seehofers loyalste Fans aufgebaut. Es ist das Ehepaar Stilla und Andreas Spreng. Die haben schon Pro-Seehofer-Transparente auf Parteitagen geschwenkt, als Seehofer in der CSU noch als Exot galt. Heute steht auf ihren Schildern schlicht: "Seehofer ist unser Obama" und "Yes we can with Horst". Doch der Mann auf der Bühne wirkt müde.
Die Arbeit als Ministerpräsident falle ihm oft schwer, meint Seehofer. "Ich stelle mir manchmal die Frage, wieso Franz Josef Strauß sagte, das wäre das schönste Amt auf der Welt." Die ersten Wochen habe er "nur Blitzeinschläge" erlebt. Es habe keinen einzigen Wohlfühltermin gegeben, sagt Seehofer. "Ich habe es durchgestanden", meint Seehofer am Ende seiner Rede.
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