Politische Visionen im linken Lager: Schwarz-Rot mit Diskursen bekämpfen
Wie lässt sich 2013 eine große Koalition noch verhindern? Ein „Werkbericht“ linksliberaler Personen und Gruppen hat Ideen – verpackt in Wortungetümen.
BERLIN taz | Erinnert sich noch jemand an die „Bürgergesellschaft“? Mit diesem Wortamalgam aus „bürgerlicher Gesellschaft“ und „Zivilgesellschaft“ zog die SPD 1998 in den Bundestagswahlkampf. Bekanntlich lösten die Sozialdemokraten, zusammen mit den Bündnisgrünen, die Kohl-Regierung ab. Von der Bürgergesellschaft, jenem Versprechen an die Wähler, aktiv am demokratischen Gesamtentwurf mitschrauben zu können, ward hernach kaum noch gehört.
Eine Gruppe aus Sozialdemokraten, Grünen, Gewerkschaftern und Verbänden arbeitet für die Bundestagswahl 2013 an einem neuen Ideen- und Kommunikationskonzept. Ein erster „Werkbericht“, der der taz vorliegt, erörtert die Frage, wo die Schnittmengen in der Programmatik liegen und wie die Wähler von einer Neuauflage von Rot-Grün im Bund zu überzeugen wären.
Titel: „Alte und neue Wege aus der großen Krise“. Das Denkwerk Demokratie wurde 2011 gegründet, ins Leben gerufen wurde es unter anderem von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und Steffi Lemke, Geschäftsführerin der Grünen.
In dem Papier markieren die Autoren jetzt Zielkonflikte und Interessengegensätze links der Mitte und fragen sich, wie die Ansätze in Wirtschafts-, Gesellschafts- und Umweltpolitik „in einer politischen Zukunftserzählung zusammenzuführen“ wären. Es gehe bei Wahlen nicht mehr nur um Führungsfiguren wie Merkel und Schröder. Sondern darum, „was Menschen für 'wahr' und 'angemessen' halten, sprich: um eine von Regierungsmehrheiten entkoppelte Machtebene der Bürger“.
Musterbeispiel für „Diskursallianz“
Die Autoren halten zehn Thesen zu einer „progressiv-demokratischen Diskursallianz“ fest. Das Wortungetüm steht für die Idee, dass SPD, Grüne und soziale Bewegungen mehr miteinander reden sollten.
Als Musterbeispiel für eine solche „Diskursallianz“ wird die Energiewende genannt, bei der unterschiedlichste Akteure ihren gemeinsamen Willen politisch durchsetzen konnten. Dem vorausgehen soll „das Reifen einer politischen Vision“, die sich abgrenzt gegenüber einem „Kapitalismus der Verantwortungslosigkeit“.
Der so gewonnene „reformistische Optimismus“ soll gemeinsame politische Leitplanken einziehen, die letztlich auf einen „nachhaltigen Innovations- und Entwicklungspfad“ führen. Gute Idee, gekleidet in eine verrammelte Syntax. Da geht noch was. Vor 14 Jahren ist den Politstrategen ja auch das Wort Bürgergesellschaft eingefallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül