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„Politische Kultur muß sich erst einmal etablieren“

Radha Krishna Mainali, Präsident des „Forums für Demokratie und Nationale Einheit“ (Fuendo), zu Nepals Opposition  ■ I N T E R V I E W

Der 43jährige Radha Krishna Mainali, der höchsten Hindu -Kaste der Brahmanen angehörig, versteht sich als Marxist. Im Alter von 27 Jahren engagierte er sich bei Bauernaufständen in Ostnepal. Er wurde verhaftet und verbrachte 14 Jahre im Gefängnis. Das Interview wurde vor den Ereignissen des vergangenen Wochenendes geführt, als Mainali sich noch vor der Polizei verbarg.

taz: Was ist Ihre Kritik am Panchayat-System?

Radha Krishna Mainali: Die nepalesische Verfassung garantiert zwar eine eigenständige Judikative und Legislative, de facto wird alle Macht jedoch vom Palast kontrolliert. Selbst die geringfügigsten Entscheidungen bedürfen der Zustimmung. Es gibt zwar viele demokratische Bestimmungen, aber eben keine Demokratie. Deshalb ging das Volk auch schon vor dreißig Jahren auf die Straße.

Welches sind die Differenzen zwischen Nepali Congress (NC), Kommunisten und der Vereinigten Linken Front (ULF), zu der Ihre Partei zählt?

Unsere Fuendo ist auf der Basis eines demokratischen, antifeudalistischen und antiimperialistischen Programms gegründet. Das heißt: Alle Macht liegt beim Volk. Die Kommunisten haben ihre eigenen Pläne, sie wollen eine totale Revolutionierung der Gesellschaft. Sie wollen einen Sozialismus nach eigenem Konzept. Unter ihrem Dach vereinigen sich Strategien der Gewalt und friedlicher Bewegungen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen setzen aber auch sie auf gewaltlosen Widerstand. Während die Kommunisten sozialistische Gesellschaftsstrukturen anstreben, zielt die Fuendo auf eine offene Gesellschaft.

Beim Nepali Congress sind die politischen Vorstellungen nicht klar umrissen. Sie treten ganz allgemein für politische Rechte ein, sagen aber nichts über die Gestaltung der Zukunft. Nach unserer Ansicht will der Congress weder das feudale System zerbrechen noch das Kastensystem oder die bestehende Landordnung.

Sie also sind für eine Neuverteilung des Landbesitzes?

Diese Themen standen bis dato nicht auf der Agenda der Bewegung. Der Kampf richtete sich in erster Linie gegen das herrschende politische System. Nun kommen auch die ökonomischen Aufgaben auf uns zu.

Die Oppositionsbewegungen wurden häufig kritisiert, weil ihre internen Strukturen nicht demokratisch sind. Wie stehen sie dazu?

Man darf diese Bewegungen nicht an europäischen Maßstäben messen. Um das autokratische System zu bekämpfen und zu überleben, war es nötig, daß Führer in den Untergrund gingen. Unter diesen Umständen konnten die Aktionskomitees nicht demokratisch gewählt werden.

Wie sehen Sie die Zukunft der Panchas?

In einem Mehrparteiensystem haben natürlich auch sie das Recht, sich zu organisieren. Es dürfte ihnen allerdings am Konzept fehlen, um eine eigene Partei zu gründen. Jene Panchas, die sich nichts zu schulden haben kommen lassen, werden sich den Parteien anschließen. Von den Hardlinern werden einige, wie Generäle, ohne ihre Armee dastehen. Auf jeden Fall haben sie das Recht, politisch aktiv zu werden.

Was versprechen Sie für die Zukunft?

Wir rufen das Volk auf, nach der Wiedereinführung des Mehrparteiensystems mit demokratischen Rechten sehr vorsichtig umzugehen. Erst einmal muß sich eine politische Kultur etablieren. Es gilt zudem Sinn für Nationalismus, Unabhängigkeit und Demokratie zu bewahren. Wir werden den Kampf gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit fortsetzen. Wir bitten das Volk um aktive Teilnahme an dem Prozeß der Wiederherstellung und Entwicklung unseres Landes.

Interview Tom Trekker

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