Politische Justiz im Iran: EU protestiert gegen Prozesse
In Teheran stehen auch ein Mitarbeiter der britischen Botschaft und eine Französin vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft stützt sich auf angebliche Geständnisse.
In der zweiten Runde der Teheraner Schauprozesse sitzen mehr als hundert Häftlinge auf der Anklagebank. Sie waren im Zusammenhang mit den jüngsten Unruhen festgenommen worden. Ihnen wird Spionagetätigkeit, Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten zur Durchführung einer "sanften Revolution" sowie "organisiertes und geplantes Vorgehen" gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorgeworfen. Unter den Angeklagten befanden sich auch prominente Vorstandsmitglieder der Reformparteien, ehemalige Parlamentsabgeordnete und bekannte Journalisten.
Auch ein Mitarbeiter der britischen Botschaft in Teheran und eine junge Französin waren dabei. Dem Botschaftsmitarbeiter iranischer Abstammung, Hossein Rassam, wird Spionage vorgeworfen. Er habe zu den moderaten Politikern enge Kontakte geknüpft, mit dem Umfeld des unterlegenen Oppositionskandidaten Mir Hossein Mussawi zusammengearbeitet und die britische Botschaft über die Pläne der Opposition informiert.
Die 23-jährige Französin, Clotilde Reiss, soll laut Anklage Informationen gesammelt und Demonstranten aufgehetzt haben. Reiss wurde am 1. Juli bei der Ausreise am Flughafen Teheran festgenommen. Sie hatte fünf Monate an der Universität Isfahan Französisch gelehrt. Sie habe zugegeben, Fotos von Protesten im Internet verbreitet und die Kulturabteilung der französischen Botschaft über die Unruhe informiert zu haben, sagte der Staatsanwalt. Sowohl Rassam als auch Reiss hätten ihre Schuld gestanden und um Gnade gebeten.
Die EU zeigte sich über die Prozesse "beunruhigt" und verlangte die unverzügliche Freilassung der Angeklagten. Die EU betrachte jede Handlung der iranischen Behörden gegen ein Mitgliedsland als gegen die gesamte Union gerichtet, hieß es in einer Erklärung der schwedischen Ratspräsidentschaft.
Das britische Außenministerium reagierte auf den Prozess mit Empörung. Die Entscheidung, Rassam den Prozess zu machen, sei "völlig inakzeptabel" und widerspreche allen Zusagen, sagte eine Sprecherin. "Wir werden entscheiden, wie wir auf diese neue Schandtat reagieren werden." Scharfe Kritik kam auch aus Paris. Die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage, ließ das Außenministerium verlauten.
Wie bereits in der ersten Runde der Verfahren stütze sich der Staatsanwalt auf Geständnisse der Gefangenen, die offensichtlich durch Folter erpresst wurden. Einige Angeklagte erweckten den Eindruck, völlig orientierungslos zu sein. Ihre Anwälte waren nicht anwesend.
Irans oberster Staatsanwalt Dorri Nadschafabadi erklärte ungeachtet der Berichte über Folterungen, die Geständnisse seien "völlig korrekt" gewesen. "Soweit wir bei unseren Besuchen in den Gefängnissen beobachten konnten, sind keinerlei gesetzeswidrige Handlungen festgestellt worden." Er fügte hinzu, das Urteil werde sich nicht allein auf Geständnisse stützen.
Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich mehrere hundert Angehörige der Angeklagte sowie andere Oppositionelle versammelt. Als sie "Gott ist groß" und "Nieder mit den Diktator" riefen, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
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