: Politiker–Streit um Molke geht weiter
■ Sondersitzung im bayerischen Landtag / Vorwürfe an die Bundesregierung / Bayern will bei der Entsorgung abwarten, welche Lösung der Bund findet / Heftiger Knatsch zwischen Umweltministerium und Atomindustrie
Aus München Luitgard Koch
Sichtlich mitgenommen erschien der bayerische Umweltminister Dick am späten Donnerstag abend im Landtag zur Sondersitzung des Umweltausschusses in Sachen „Molkepulver“. „Wie früher die Cleopatra in Eselsmilch, bad ich mich jetzt in Molkepulver“, verriet der Minister den Journalisten, um wieder einmal die Ungefährlichkeit des verstrahlten Molkepulvers zu demonstrieren. Das Produkt sei als sehr schwach radioaktiver Stoff einzustufen und bedürfe daher keiner Genehmigung und Anzeige nach dem Strahlenschutzgesetz. Das Atomgesetz sei nicht anwendbar. Dem wider sprach Prof. Armin Weiß von der grünen Landtagsfraktion. Nachdem eine Entschädigung an die Firma Meggle gezahlt wurde, müßte nach den Richtlinien des Atomgesetzes das entschädigte Produkt entweder beschlagnahmt oder vernichtet werden. „Wo ist einer, der mir einen Vorschlag macht, den ich in der nächsten Woche durchführen kann?“ fragt Minister Dick hilflos zurück. „Mir kann auch keiner zumuten, daß es weitere fünf oder zehn Jahre in Straubing stehen bleibt“, so Dick, in dessen niederbayerischem Wahlkreis seit zwei Tagen 1.800 Tonnen des verseuchten Molkepulvers auf Bun deswehrgelände lagern. Bei der Entsorgung der neu aufgetauchten 2.000 Tonnen wollen die Bayern abwarten, welche Lösungen der Bund für „sein Molkeproblem“ findet, um dann ebenso zu verfahren. Atomindustrie rügt „Hysterie“ Das deutsche Atomforum erklärte am Freitag in Bonn: „Nicht die Radioaktivität der Molke ist ein Skandal, sondern die Art und Weise, wie die Politik damit umgeht. Offenbar werden in diesem Land politische Entscheidungen unter dem Eindruck öffentlicher Hysterie gefällt und nicht aufgrund nüchterner Tatsachen.“ Dazu erklärte der Sprecher des Umweltministeriums, Detlef Diehl, Ängste würden nicht geschürt, sondern ernst genommen. Diehl wies auch den Vorwurf des bayerischen Landtagsabgeordneten Erwin Huber (CSU) zurück, Bundesumweltminister Walter Wallmann (CDU) habe in der Frage der Entsorgung des Molkepulvers „bisher nur Aktivitäten vorgetäuscht“. Das bayerische Landwirtschaftsministerium hat von der Wasserburger Firma Meggle verlangt, künftig kein Molkepulver mehr zu verwenden, das den EG– Grenzwert von 1.850 Becquerel Cäsium pro Kilogramm (bq/kg) überschreitet. dpa
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