Politiker streiten um den Stoff: Senat will Kassenkohle für Heroin
Die Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige soll von den Kassen bezahlt werden, findet die Gesundheitssenatorin. Grüne fordern, dass Berlin eigenständig aktiv wird.
Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) will die Abgabe von reinem Heroin an Schwerstabhängige in Berlin nicht im Alleingang durchsetzen. Modellversuche in anderen Städten zeigten zwar den großen Nutzen für bestimmte Süchtige, die auf den Ersatzstoff Methadon nicht anspringen, sagte eine Sprecherin der Senatorin. "Wir wollen aber eine bundesweite gesetzliche Regelung."
Die ist allerdings zurzeit wenig wahrscheinlich. Seit einem Jahr liegt im Bundestag der Vorschlag für ein Gesetz, das künstlich erzeugtes Heroin unter dem Namen Diacetylmorphin als Arzneimittel anerkennen würde. Der Vorschlag wird von 13 Bundesländern unterstützt, in der CDU-Fraktion gibt es dagegen aber Vorbehalte. "Die Union macht Politik auf dem Rücken schwerstkranker Menschen", heißt es daher aus dem Senat. Doch auch die Gesundheitsverwaltung denkt mit ihrer Position nicht nur an das Wohlergehen der etwa 10.000 Berliner Heroinsüchtigen. Grundsätzlich kämen laut Senat für die kostenaufwendige Therapie mit reinem Heroin nur etwa 300 Schwerstabhängige in Frage, bei denen andere Therapien nicht gewirkt haben. Außerdem ist bisher nur eine Finanzierung der zentralen Abgabestelle für den Stoff vorgesehen. Rund 280.000 Euro wurden dafür in den nächsten Haushalt eingestellt. Die Kosten für das neue Präparat selbst sollen die Krankenkassen zahlen und dafür ist das Bundesgesetz nötig.
Politiker des Abgeordnetenhauses fordern mittlerweile, dass Berlin notfalls auch ohne das Gesetz aktiv wird und die Kosten der Therapie aus Landesmitteln finanziert. Dafür müsste eine Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen Bundesopiumstelle beantragt werden. "Wer sich jetzt auf den Bundestag verlässt, der lässt die Berliner Heroinabhängigen allein", sagt etwa Benedikt Lux, der drogenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die Therapie mit künstlichem Heroin sei zwar teurer, aber auch erfolgreicher als die herkömmliche Methadonvergabe, argumentiert Lux. Es gebe kaum Mischkonsum mit anderen Drogen wie beim Methadon, dadurch sänken Kriminalität und Krankheitskosten.
"Eine Vollfinanzierung würde zu Lasten anderer Suchtkranker gehen", widerspricht die Landesdrogenbeauftragte Christine Köhler-Azara. Deshalb sei es richtig, angesichts knapper Kassen auf eine bundesweite Lösung zu warten. TILL BELOW
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