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PolitikZu wenig vom Staat

Wohnen ist für viele Menschen viel zu teuer. Helfen könnte gemeinwohlorientiertes Bauen. Wie das Land entsprechende Bau-Initiativen gezielter fördern könnte, sollten im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart Fachpolitiker:innen erläutern. Die Erkenntnisse blieben dürftig.

Dieses Haus wirft keine Rendite ab: der Kesselhof in Stuttgart. Foto: Joachim E. Röttgers

Von Korbinian Strohhuber

Eigentum ist ein Leistungsanreiz und natürlich auch eine gute Altersvorsorge, gerade für die jüngere Generation. Als Friedrich Haag, Abgeordneter der FDP im baden-württembergischen Landtag, diese Worte ausspricht, stöhnen manche Zuhörer:innen im Württembergischen Kunstverein (WKV). Bei ihnen endet die Vision vom Wohnen nicht bei der Eigentumswohnung. Es ist Anfang Dezember, Haag ist einer von fünf Politiker:innen, die im WKV am Stuttgarter Schlossplatz zu Wort kommen. Veranstalter ist das „Netzwerk gemeinwohlorientiertes Bauen und Wohnen in Baden-Württemberg“, das wissen will, wie es nach der Landtagswahl am 8. März mit der Wohnpolitik weitergehen wird.

Im Netzwerk schließen sich Genossenschaften und Wohnprojekte des Mietshäuser-Syndikats aus ganz Baden-Württemberg zusammen. Allen ist eines gemeinsam: Sie wollen nicht gewinnorientiert Wohnraum schaffen, sondern eben gemeinwohlorientiert. Neben dem Verzicht auf Gewinn heißt das, dass die Wohnungen nie mehr verkauft und somit der Spekulation entzogen werden sollen. Und wenn von ihnen gebaute Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, wird die Miete nicht erhöht. Außerdem denken die Initiativen bei Neubauprojekten eine soziale Infrastruktur mit: barrierefreie Wohnungen, Gemeinschaftsräume für Veranstaltungen, Gewerbefläche für Arztpraxen.

Ein Beispiel: In Karlsruhe hat die Genossenschaft „MiKa“ (MieterInneninitative Karlsruhe) vor der Jahrtausendwende ein altes Kasernengelände gekauft, 86 Wohnungen sind darin entstanden. Im Jahr des Einzugs zahlten die Mieter:innen 8,50 D-Mark pro Quadratmeter, heute 5,20 Euro. Woanders sind Projekte gerade in der Umsetzung, es wird noch geplant und gebaut. Insgesamt sollen so landesweit bald Wohnungen für 600 Menschen entstehen.

Verteilte Last auf vielen Schultern

Aber an dem Abend zeigt sich auch, dass nicht alle Projekte im Netzwerk ausschließlich günstigen Wohnraum schaffen. In Stuttgart will „gemeinsam27“, ebenfalls eine Genossenschaft, in einem bestehenden Haus Haus Wohnungen bauen. Derzeit kalkuliert die Genossenschaft mit 15 Euro Kaltmiete, außerdem müssten Interessierte pro Quadratmeter eine Einlage von 1.700 Euro zahlen. „Schlimm“ sei das, sagt selbst die Vorständin Angela Heller gegenüber Kontext. Grund seien die hohen Kaufpreise.

Einen anderen Weg schlägt das Mietshäuser-Syndikat ein. „Bei uns kann auch der Azubi einziehen, der sich nicht verschulden will oder geerbt hat“, sagt Till Meinrenken, der an diesem Abend im Publikum sitzt. Der Freiburger ist studierter Biologe und Pädagoge und engagiert sich seit sieben Jahren bei einem Hausprojekt: „Velohaven“. Der 56-Jährige hat sogar seinen alten Vollzeitjob bei der Stadt gekündigt und arbeitet jetzt in Teilzeit, um mehr Zeit zu haben für das Haus mit Holzfassade und 14 Wohnungen, das in drei Jahren als Teil des Freiburger Quartiers Kleineschholz entstehen soll.

Beim Mietshäuser-Syndikat ist die Finanzierung auf mehrere Schultern verteilt. Möglich machen das Direktkredite von Privatpersonen, die als Eigenkapitalersatz gelten. Das übrige Geld kommt von Banken und Förderprogrammen. Und da kommt das Land ins Spiel.

Priorisierung beim Fördergeld

Meinrenken zählt auf, was besser laufen könnte bei der Wohnraumförderung über die Landeskreditbank (L-Bank). Mit günstigen Darlehen und Zuschüssen unterstützt das Land den Bau von Sozialwohnungen, deren Mietpreise dann unter den ortsüblichen Vergleichsmieten liegen müssen. Das Geld vom Land fließt aber erst, wenn das Eigenkapital aufgebraucht wurde, erklärt der Freiburger. Oft sei unklar, wann wann die Förderung von der L-Bank kommt und wann mit einer Pause beim Bau gerechnet werden kann, hier fordert das Netzwerk klare Ansagen. Denn die fehlende Planungssicherheit wird zum Problem für die gemeinwohlorientierten Projekte: Wenn Rechnungen von Handwerksfirmen bezahlt werden müssen, aber gerade kein Geld da ist, muss die Hausbank einspringen zur Zwischenfinanzierung. „Die lässt sich das natürlich bezahlen“, sagt Meinrenken, verlange also hohe Zinsen. Außerdem sollten Bankkredite über einen längeren Zeitraum zurückgezahlt werden können, also die Tilgungsrate gesenkt werden.

Vor allem aber will das Netzwerk, dass überhaupt mehr Geld in die Wohnraumförderung fließt und gemeinwohlorientierte Projekte vor gewinnorientierten privaten Antragstellern bevorzugt werden. Derzeit gilt hier das Windhundprinzip: Wer zuerst einen Antrag stellt, wird zuerst bedient. „Der Bedarf ist sehr viel höher als der Topf groß ist“, sagt Meinrenken. Die Mittel für das laufende Jahr sind deshalb schon vergeben, noch nicht bewilligte Anträge werden ins nächste Jahr übertragen, sodass der Topf dann „im Prinzip schon leer“ sei.

Dabei fließt Jahr für Jahr mehr Geld in die Wohnraumförderung. Waren es 2020 noch etwa 250 Millionen Euro, werden es im kommenden Jahr über eine Milliarde sein – „also zehn Mal so viel wie 2015 unter Nils Schmid (SPD)“, heißt es aus dem Landesbauministerium von Nicole Razavi (CDU). Nur: Der Großteil des Geldes kommt vom Bund, 300 Millionen im nächsten Jahr allein aus dem Sondervermögen. Aus Sicht des Netzwerkes beteiligt sich das Land selbst zu wenig, seine Foderung: Jeder Euro vom Bund muss mit einem Euro aus der Landeskasse aufgestockt werden.

Mit diesen Anliegen haben sie sich an die Politik gewandt und die wohnungspolitischen Sprecher:innen ins WKV eingeladen. Fünf Fragen waren ihnen vorab zugesendet worden, fünf Minuten bekam jede und jeder für ein Statement.

Mit CDU und FDP wird‘s nichts

Der FDP-Mann Haag jedenfalls nimmt das Wort „gemeinwohlorientiert“ nicht einmal in den Mund, dafür plädiert er für eine Absenkung der Grundsteuer. „Aber auch das Thema Eigentumsbildung ist für uns wichtig.“ Cindy Holmberg (Grüne) sagt, es müsste „viel gesteuerter“ gefördert werden, sie habe auch nichts gegen eine Priorisierung von gemeinwohlorientierten Projekten. Natalie Pfau-Weller (CDU) ist wichtig zu betonen, dass nicht alles schlecht gelaufen sei und vergangenes Jahr immerhin 3.000 Sozialwohnungen im Land neu hinzugekommen seien. Doch auf der Webseite des Bauministeriums steht es anders: Demnach waren es nur knapp über 1.000. Und überhaupt: 2015 verzeichnete das Ministerium noch 60.000 Sozialwohnungen im Land, im vorigen Jahr waren es 54.600.

Der Sozialdemokrat Jonas Hoffmann würde gerne eine Landesentwicklungsgesellschaft schaffen: einerseits um kommunale und gemeinwohlorientierte Träger zu unterstützen, andererseits um selbst Wohnungen zu bauen. Außerdem stellt er sich klar hinter eine Priorisierung beim Fördergeld, wonach gewinnorientierte Unternehmen als letztes bedient werden sollen. Dem kann sich auch die Linke-Spitzenkandidatin Kim Sophie Bohnen anschließen. Sie spricht von einem „Mietnotstand“, nötig sei ein „radikaler Kurswechsel“. Außerdem fordert sie 18 Milliarden Euro Sondervermögen für soziales Wohnen im Land.

Wenn CDU oder FDP nach der Wahl mitregieren, dürften sich die Lage aus Sicht des Netzwerks wohl kaum bessern. Diesen Eindruck teilt auch Meinrenken. „Wir können auf die Landespolitik nicht warten, wir müssen es unter den jetzigen Bedingungen irgendwie schaffen.“ Was bleibt, sei die Hoffnung, dass sich trotzdem mehr Menschen zusammenschließen und ein Wohnprojekt auf die Beine stellen. Auch wenn das derzeit vor allem heißt: „Sich durchbeißen mit Ehrenamt, Direktkrediten und Engagement.“

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