: Politik mit Bart im Land der Diamanten
■ Die Zentralafrikanische Republik bekommt eine neue Verfassung
Berlin (taz) – Bekannt war die Zentralafrikanische Republik bisher durch ihren megalomanen, des Kannibalismus überführten „Kaiser“ Bokassa, der in den 70er Jahren das Land ausplünderte, und für ihre Funktion als Drehscheibe französischer Militäroperationen in Afrika. Jetzt entwickelt sie sich auch zu einem Labor afrikanischer Demokratisierungs- und Aufbaubemühungen. Gestern sollten die 3,3 Millionen Bewohner dieses Staates von der Größe Frankreichs zu den Urnen schreiten, um ihrem Land per Referendum eine neue Verfassung zu geben.
Ein Ja der Zentralafrikaner wäre eine Bestätigung für Präsident Ange-Felix Patassé, der im September 1993 demokratisch gewählt wurde. Patassé, ein Volkstribun mit imposantem weißem Bart, galt in Paris einst als Gaddafi- Freund und Bürgerschreck; 1993 aber half ihm die Schutzmacht in den Präsidentensessel, als sie seinen Vorgänger André Kolingba nach dessen Wahlniederlage zur Abdankung zwang. Als Gegenleistung ist Patassé seither frankophil: Die französische Militärpräsenz blieb ungeschoren, und Ex-Diktator Kolingba wurde nicht wie geplant verhaftet.
Die neue Verfassung ist Patassés Siegesdokument. Der Präsident „verkörpert und symbolisiert die nationale Einheit“, steht im Verfassungsentwurf; außerdem darf er sich einmal wiederwählen lassen, wobei die gegenwärtige sechsjährige Amtsperiode nicht zählt. Daß der 57jährige Patassé damit theoretisch 18 Jahre regieren kann, ärgert all jene Politiker, die 1993 die Wahlen verloren und dennoch weiter auf das höchste Amt hoffen – den Ex-Präsidenten Kolingba, den anderen Ex-Präsidenten David Dacko und den in der Stichwahl gegen Patassé knapp durchgefallenen Abel Goumba. Alle haben sie für ein Nein beim Referendum geworben. Da jedoch, wie die Zentralafrikanische Menschenrechtsliga beklagt, politische Parteien keinen Zugang zu den staatlichen Medien haben, sind die Positionen der Regierungsgegner wohl kaum über ihre jeweiligen Heimatregionen hinausgedrungen.
Die Einheit des Staates, dessen miserable Infrastruktur die verschiedenen Landesteile mit ihren verschiedenen Ethnien voneinander getrennt hält, sorgte ebenfalls für Kontroversen. Denn der Verfassungsentwurf sieht die Schaffung von Regionen mit direkt gewählten Parlamenten vor, um das Gefühl der Beherrschung einiger Ethnien durch andere zu mindern. „Wir sind umgeben von großen Ländern und bestehen aus Stücken dieser Länder“, verurteilte dagegen Abel Goumba dieses Konzept mit Blick auf Zaire, Tschad und Sudan: „Den Regionen Vollmachten zu geben, führt in das Risiko von Abspaltungen.“ Kolingba prophezeite eine „Teilung des Landes auf ethnischen Linien“.
Ähnliche Ängste gibt es in Ländern wie Äthiopien oder Niger, deren Regierungen ebenfalls auf Regionalisierung setzen. Die Probleme der Zentralafrikanischen Republik sind die Probleme ganz Afrikas. Das beweist nicht nur die Diskussion um die politische Struktur, sondern auch die um die wirtschaftliche Entwicklung. Patassés korrupte Vorgänger hatten das Land ruiniert. Der Staatshaushalt war die persönliche Schatulle des Staatschefs – so wurde früher der Großteil des Hauptexportgutes Diamanten von Präsident Kolingba nach dem Modell seines Nachbarn und Freundes Mobutu aus Zaire privat, am Staat vorbei, auf den Weltmarkt gebracht. Mitglieder des alten Regimes verkauften vor ihrem Machtverlust sogar das Botschaftsgebäude in Paris. Die Bauern waren hingegen vielerorts in die Subsistenzwirtschaft zurückgefallen. Nun bringen Reformen erste Erfolge, sagt Thierry Van Den Bos-Yinifolo, Generalsekretär der an der Regierung beteiligten Liberaldemokraten (PLD): „Die Gehälter werden regelmäßig bezahlt, auch wenn die Ausstände des alten Regimes nicht abgetragen werden. Die Kinder gehen zum erstenmal seit drei Jahren wieder zur Schule. Die Kopfsteuer wurde abgeschafft, was das Los der Bauern erleichert.“
Die verbesserte Wirtschaftslage macht es wahrscheinlich, daß Patassé sein Referendum gewinnt – auch wenn gestern mit einer eher niedrigen Beteiligung gerechnet wurde. Die Zentralafrikanische Republik bekommt also vermutlich ein personalisiertes Präsidialregime mit Mehrparteiensystem und liberalisierter Wirtschaft – eine Kombination, die in Afrika immer mehr Anhänger findet. Dominic Johnson
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