Polit-PR im Hotel Adlon: Weltgeschichte und Westerwelle
In Berlin sonnt sich Außenminister Guido Westerwelle im Licht von Michail Gorbatschow und Hans-Dietrich Genscher. Er bewirbt damit eine Giga-Politshow.
Hotel Adlon nahe des Brandenburger Tors, ein ganz normaler Montagvormittag im November, vor den Mikros im Konferenzsaal hat geballte Weltgeschichte Platz genommen. Michail Gorbatschow lacht. Hans-Dietrich Genscher nestelt an seinem Sprechzettel herum. Die Kameras klicken, doch Halt! Sie sind nicht auf die beiden personifizierten Politdenkmäler gerichtet, sondern auf eine sehr junge, hellblonde Dame in einem bordeauxroten Kleid. Sie sitzt neben den Herren, die Lippen blaubeerweit geöffnet. Jetzt lächelt sie!
Die Kameras klicken nicht mehr nur, jetzt rasseln sie, klackern, rattern. Es ist Ksenia Gorbatschowa, Michails Enkelin. Sie wird "etwas über den Michail Gorbatschow Award erzählen", wie der Moderator der Veranstaltung später aufklärt. Ah, und da sitzt noch jemand am Pult. Es ist der deutsche Außenminister, Guido Westerwelle von der FDP.
Bei der Preisverleihung sollen im März in Berlin Menschen ausgezeichnet werden, die Weltgeschichte gemacht haben. Da darf Westerwelle nicht fehlen. Denn der konzentriert sich seit seinem Rückzug als Parteivorsitzender der Liberalen auf seriöse Außenpolitik und pöbelt immer seltener Hartz-IV-Empfänger an. Außerdem darf Westerwelle niemals irgendwo fehlen, wo Ex-Außenminister Genscher auftritt. Denn der ist sein politisches Vorbild, angesehen im Volk und hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern schon lange sicher.
Daher ist es auch nicht so schlimm, dass Westerwelle hier nur eine Nebenrolle bei einer PR-Veranstaltung spielt.
Immerhin, jetzt flachsen Genscher und Gorbatschow mit dem Außenminister, weil die Fotografen die Augen nicht von Ksenia lassen können. Der ehemalige sowjetische Präsident sagt etwas Russischklingendes zu Westerwelle. Der lacht los, klopft Gorbatschow kumpelhaft auf die Hand, als hätte er es verstanden. Neben den beiden rasseln die Kameras seit Minuten. "Genug geflirtet", sagt jetzt Genscher.
Überall Abendkleider
Zeit, einen Blick auf die Veranstaltung zu werfen, die Westerwelle da bewirbt. Die soll "Hollywood nach Berlin bringen", wie es die Gorbatschow-Enkelin ankündigt. Ausgezeichnet werden dabei aber nicht Schauspieler, sondern Menschen, "die die Welt verändert haben".
In einem Einspieler sieht man Bilder aus dem Frühling in London, als der Preis zu Gorbatschows 80. Geburtstag das erste Mal verliehen wurde. Musik donnert, schnelle Schnitte, überall Abendkleider, eine riesige Veranstaltungshalle.
Da geht dann Arnold Schwarzenegger über den roten Teppich, Bono spricht ein Videogrußwort, die Scorpions schmettern ihre besten Lieder. Die Schauspieler Sharon Stone und Kevin Spacey moderieren, CNN-Chef Ted Turner gewinnt den Preis in der Kategorie "Glasnost". And the winner is!
Nächstes Jahr in Berlin wird es kaum weniger pompös, kündigt Ksenia Gorbatschowa an. Filmsternchen Milla Jovovitch wird moderieren, bisher auf der Diplomatenebene vor allem als internationale Botschafterin für die Haarsprayfirma LOreal bekannt. Dazu ein Moderator, dessen Namen sie noch nicht verrät. Jedoch: "Es wird einer der größten Stars auf diesem Globus."
Spot on!
Es werden wieder Preise vergeben, außer der Kategorie Glasnost mindestens auch noch in der Kategorie "Perestroika". Natürlich hat diese Veranstaltung auch ein politisches Motto, es geht schließlich ums Weltverändern, und Geld für die gute Sache soll auch gesammelt werden. Es lautet: "Ökologie und Nachhaltigkeit in den Megastädten der Welt". In diesem Sinne: Spot on!
Guido Westerwelle hat leider keine Zeit, Fragen zu beantworten, nach dem Einspieler muss er die Werbeveranstaltung verlassen.
Vorher hat er noch ein kurzes Grußwort gesprochen, Gorbatschows "Verdienste um die deutsche Einheit gelobt". Und, natürlich freut er sich über die Entscheidung, die Giga-Gala in Berlin auszurichten "Wir freuen uns über die deutsch-freundliche und Berlin-freundliche Entscheidung", sagt er. Dann geht er, aber im nächsten Jahr wird er wieder mit dabei sein. Moment, eigentlich wollte er doch in die Geschichtsbücher. Jetzt wird es wieder nur eine große Polit-Show. Immerhin: Wahrscheinlich die größte, die es je gab.
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